Um das Thema ALKOHOL für einen Artikel schleiche ich schon länger herum, weil es spannend und komplex ist. Kommunizierte Informationen über Alkohol sind sehr selektiv, meistens absolut unkritisch und dienen in der Regel dazu, Alkoholkonsum zu rechtfertigen. Ist er doch sooo gesund fürs Herz. Ist er das wirklich? Zu welchem Fazit komme ich, wenn ich mir aktuelle Studien anschaue und einen Blick über den Tellerrand der Alltagsmythen hinauswage? Wir werden es herausfinden! Im zweiten Teil wird es dann um konkrete Wirkungen von Alkohol gehen, die dich sicherlich überraschen werden!
Alkohol im Alltag
Alkohol hat im Alltag eine enorme Akzeptanz und gehört bei vielen Menschen einfach dazu. “Das bisschen Alkohol, das ist schon nicht so schlimm, ich betrinke mich ja nicht”. Nein, abhängig bin ich natürlich nicht. Angeblich sind ja 1-3 alkoholische Getränke am Abend völlig in Ordnung und kein Grund zur Sorge. Selbst die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zieht in etwa diesen Maßstab heran, hat ihren Artikel dazu aber zuletzt vor 23 Jahren überarbeitet [6]. Seitdem sind sicherlich keine neuen Studien zum Thema erschienen, nehme ich an. 😐

Die Funktionen, die Alkohol für uns hat, sind vielfältig und oft mit Gemütlichkeit, Entspannung, Geselligkeit aber auch dem Image von Gepflegtheit oder Stil gekoppelt. Die Gläschen am Abend sind oft auch eine Form der Belohnung für den überstandenen Tag und nicht selten eine “Notwendigkeit”, um überhaupt abschalten zu können. Was ist schon dabei, andere machen das doch auch so. Du siehst doch, mir geht es gut und XYZ hat jeden Abend einen Brandy getrunken und ist 90 Jahre alt geworden. So oder so ähnlich klingen Argumente, die ich schon häufiger gehört habe.
Hand aufs Herz, welche dieser Begründungen hast du schon verwendet oder fühlst dich bei dieser Argumentation direkt ertappt? Ich werde heute und im zweiten Teil dieses Artikels zeigen, was davon haltbar ist und wobei es sich einfach nur um Mythen handelt.
Alkoholkonsum in Deutschland
Laut Bundesgesundheitsministerium konsumieren 7,9 Millionen Menschen im Alter von 18-64 Jahren (in Deutschland) Alkohol in gesundheitlich riskanter* Form [1]. Das sind etwa 16% der Männer und 11% aller Frauen [2,3]. Bei etwa 9 Millionen Menschen dieser Altergruppe liegt ein problematischer** Alkoholkonsum vor.
*Auf der entsprechenden Seite ist nicht definiert, welche Mengen als “gesundheitlich riskant” gelten. Wenn ich aber weitersuche, finde ich dazu folgende Informationen: “Gesundheitlich riskanter Alkoholkonsum” ist definiert für Frauen mit mehr als 12 g Alkohol am Tag, Männer mehr als 24g Alkohol am Tag, das entpricht in etwa 0,33l Bier für Frauen und 2 Bier a 0,33 l für Männer [32].
**Problematischer Alkoholkonsum geht über die Grenzen für “gesundheitlich riskanten” Konsum hinaus und beinhaltet bspw. Trinken bis zum Rausch und zum Verlust der Kontrolle etwa 1x im Monat und regelmäßiges Trinken über die für riskanten Konsum genannten Grenzen [32].
Pro Kopf werden etwa 10 Liter reinen Alkohols pro Jahr konsumiert [1]. Nur zum Vergleich: Ein Bier von 0,5 Litern enthält etwa 25 ml reinen Alkohols (= 20 g, bei 5% Alkoholgehalt) [4]. Um also auf 10 Liter im Jahr zu kommen, muss man schon 400 Bier trinken. 😮

Der Alkoholgehalt von Wein liegt mit durchschnittlich 10-15% Alkohol deutlich höher [14]. Die gleiche Alkoholmenge wird also bereits mit 150-250 ml erreicht (ein großes Glas Rotwein fasst aber locker 400 – 500ml!). Wohlgemerkt, hier handelt es sich um Durchschnittswerte. Wenn ein Mensch also keinen Alkohol trinkt, der andere aber 20 Liter reinen Alkohols im Jahr, sind es im Durchschnitt 10 Liter im Jahr pro Person, so ist das mit Durchschnittsangaben.
Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkohol werden mit 57 Milliarden Euro pro Jahr beziffert [1]. Dazu gehören zahlreiche schwerwiegende Erkrankungen, wie z. B. Darm- und Brustkrebs, Mundhöhlen- und Speiseröhrenkrebs, Leberzirrhose, aber auch die Verursachung von Unfällen oder Staftaten [1,5].
Wo der Maßstab “gesundheitlich bedenklich” tatsächlich anzusetzen ist und ob der hier genannte Maßstab so haltbar ist, wird sich im Verlauf dieses Artikels noch zeigen. Mehr Details wird es dann im zweiten Teil geben (HIER).
Alkoholische Alltagsweisheiten: Sind sie wahr?
Im Folgenden möchte ich 2 Mythen oder Alltagsweisheiten zum Thema Alkohol unter die Lupe nehmen. Ob sie der Prüfung wohl standhalten? Typisch für derartige “Wahrheiten” ist ja, dass wir sie so oft gehört haben, dass wir sie einfach glauben (wollen). Wenn man etwas so oft hört, muss es ja wahr sein. Es wäre einfach zu schön! 😉

Alltagsweisheit 1: Es ist gesünder Alkohol zu trinken als abstinent zu sein
Die Aussage, dass es ungesünder wäre keinen Alkohol zu trinken als moderat, findet sich in zahlreichen Artikeln und sogar glaubwürdigen Gesundheitsbüchern wieder. Das glaubt man nur zu gern. Du hast das Argument sicher auch schon gehört oder sogar auch selbst verwendet.
Ärzte wurden aus diesem Grund zwischenzeitlich sogar dazu angehalten, Patienten die keinen Alkohol trinken, zum “leichten Alkoholkonsum” zu ermuntern, um das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu reduzieren [9]. Aber wie so oft sollte man skeptisch sein, wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein. Schauen wir uns einige Studien dazu einmal an.
Die berühmte J-Kurve
Immer wieder wird in diesem Zusammenhang eine so genannte J-Kurve zitiert. Sie illustriert, basierend auf Studienergebnissen, den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Sterblichkeit. Das folgende Foto dient dazu, damit du dir die Kurve besser vorstellen kannst, sie stammt nicht aus Studienergebnissen.

Nur wenig überraschend geht dabei ein hoher Alkoholkonsum mit der höchsten Sterblichkeit einher (auf dem Bild mit dem schwarzen Stern markiert). Paradoxerweise – und deswegen werden diese Studien gern zitiert – haben Menschen, die keinen Alkohol trinken, ein höheres Sterblichkeitsrisiko (gelber Stern) als Menschen, die moderat trinken (grüner Stern) [8,12,15].
Wie kommt eine derartige Kurve zustande und wie ist sie erklärbar? Aus welchen Gründen könnte eine kleine Menge eines Toxins (und das ist Alkohol nun einmal) gesünder sein als dieses Toxin nicht zu sich zu nehmen? Könnte man hier annehmen, dass ein Organismus “widerstandsfähiger” wird, so wie wir uns auch an die Belastungen durch Training oder Sauna anpassen? Dann würde uns das Trinken von Alkohol resilienter machen. Mmmh, ein interessanter Gedanke, aber so schnell geben wir uns nicht zufrieden.
Der fundamentale Fehler in dieser Studie
Wir spielen noch ein bisschen Detektiv und schauen, wie die Klassifikationen des Trinkverhaltens eigentlich zustande kommen. Um einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Sterblichkeit zu ermitteln, wurden zahlreiche Personen nach ihrem Alkoholkonsum befragt und dann wurde über einen gewissen Zeitraum verfolgt, welche Gruppe länger lebt oder früher stirbt. Soweit so logisch.
Nun hat es aber die Gruppe der Menschen “in sich”, die angaben “nie” Alkohol zu trinken, das fiel jedoch erst bei erneuten Analysen auf. Denn in diese Gruppe fallen sowohl Menschen hinein, die schon lange (oder immer) keinen Alkohol trinken als auch Menschen, die erst kürzlich damit aufgehört haben. Und hier liegt der “Hund” begraben.

Warum könnte jemand kürzlich aufgehört haben zu trinken? Richtig, weil eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde, wie bspw. eine Leberzirrhose oder eine alkoholische Fettleber [8]. Alternativ können auch Alter, Gebrechlichkeit oder Medikamenteneinnahme Ursachen dafür sein, keinen Alkohol (mehr) zu trinken [16]. Alle der genannten Gründe, mit dem Trinken aufzuhören, gehen jedoch mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. Und diese schwerkranken Menschen werden also in die gleiche Gruppe gepackt wie Menschen, die schon lange keinen Alkohol trinken oder noch nie Alkohol getrunken haben.
So ist es nicht überraschend, dass diese Gruppe in der Auswertung der Daten eine höhere Sterblichkeit hat. Schließlich beinhaltet die Gruppe zahlreiche schwerkanke Menschen, die eine höhere Sterblichkeit haben. Damit wäre die Kausalität nicht in der Richtung, dass wir eher sterben, wenn wir keinen Alkohol trinken, sondern dass Menschen, die ernsthaft erkrankt sind, aufgehört haben, Alkohol zu trinken und diese eher sterben [8].
Und tatsächlich liegt genau dieser Fehler 3/4 der Studien zugrunde, die zur berühmten J-Kurve geführt haben. Wenn man nun die Daten neu berechnet und berücksichtigt, ob jemand lebenslang nicht getrunken oder erst vor kurzem damit aufgehört hat, verschwindet sie plötzlich diese berühmte und vielzitierte J-Kurve [8, 9,11,13,16,17].
Von der J-Kurve zur klaren Korrelation
Was sich dann zeigt, ist eine eindeutige Korrelation zwischen Dosis und Mortalität: Je geringer der Alkoholkonsum, desto niedriger das frühzeitige Sterberisiko. Es gibt keinen “Schutzeffekt” eines geringen Alkoholkonsums im Vergleich zur Abstinenz [8]. Das heißt, auch das berühmte Glas Rotwein, das so gesund für das Herz sein soll, erweist sich nicht als schützend und gesund (mehr zur Toxizität von Alkohol in Teil 2: DAS macht ALKOHOL mit deiner Gesundheit (Teil 2/2).

In Ergänzung kann eine Verzerrung der Daten auch in der Hinsicht vermutet werden, dass Menschen, die nur wenig Alkohol trinken, ihr Glas Wein oder Bier eher mit einem Salat als einem Cheeseburger zusammen konsumieren und damit ihre Gesundheit einfach generell weniger belasten [9].
Um diese Ergebnisse noch einmal zu testen, wurden sie anhand einer Gruppe von Menschen überprüft, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit Alkohol konsumieren. Zu diese Gruppe gehören Menschen, die Abweichungen in den Enzymen haben, die Alkohol im Körper umwandeln und abbauen. Dadurch können sich toxische Zwischenprodukte ansammeln, die zu Übelkeit und anderen Beschwerden führen. Das sorgt ziemlich nachhaltig dafür, dass diese Menschen keine Freude am Alkoholkonsum haben. Wenn diese berühmte J-Kurve also doch stimmen würde, müssten diese Menschen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen haben, weil sie keinen Alkohol trinken. Aber die Ergebnisse zeigen, dass sie sogar ein ein verringertes Risiko für koronare Herzerkrankungen haben [9]. Damit können wir auch an dieser speziellen Gruppe zeigen, dass es gesünder ist, keinen Alkohol zu trinken.
Eine gesteigerte Resilienz durch moderaten Alkoholkonsum können wir tatsächlich nicht bestätigen, so funktioniert unser Körper hinsichtlich des Umgangs mit Toxinen einfach nicht [28].
Warum werden diese Informationen nicht kommuniziert?
Ich finde diese Informationen insofern super spannend, weil ich davon selbst noch nichts gehört hatte und mich wirklich viel mit allen Themen rund um Gesundheit beschäftige. Ich bin nur einfach – von Natur aus – immer skeptisch gewesen, dass es besser sein soll, etwas zu trinken als nichts. Es ergab für mich keinen Sinn. Erst durch die Recherchen zu diesem Artikel bin ich auf die wirklichen Zusammenhänge gestoßen. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum es nicht kommuniziert wird, dass wir unserer Gesundheit etwas Gutes tun, wenn wir keinen Alkohol trinken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zunächst gibt es natürlich einen simplen Grund: Es werden alte Studien zititiert und dabei wird nicht überprüft, ob die Zusammenhänge auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Ärzte, Wissenschaftler und Autoren (auch die von Gesundheitsbüchern) selbst gern das eine oder andere Glas Alkohol konsumieren. Auch Politiker, die sich für Entscheidungen zum Schutz der Bevölkerung einsetzen könnten, trinken privat oftmals gern Alkohol und könnten ihr eigenes Verhalten angesichts der Datenlage kaum rechtfertigen. Dies nennt man “kognitive Dissonanz” und die ist schwer auszuhalten (also etwas zu tun, das der eigenen Überzeugung / dem eigenen Wissen widerspricht).
Ein zweiter Grund, der sicherlich viel Gewicht hat: Es geht um Geld, um viel Geld. Für die Industriezweige, die an Alkohol Geld verdienen, ist die Nachricht “Alkohol verursacht Krebs” (mehr dazu in Teil 2) bedrohlich und sie tun alles dafür, damit diese Nachricht weiterhin ignoriert werden kann, denn sie wäre ja “geschäftsschädigend” [8]. Statt dessen wird weiterhin “moderates Trinken” als eine Möglichkeit Risiken und Nutzen zu balancieren, propagiert. Wie auch bei Tabak, Fast Food, Medikamenten und Zucker wiegen wirtschaftliche Interessen leider offenbar schwerer, als das Interesse an der öffentlichen Gesundheit [8].
Exkurs: Das ist nicht das erste Mal
Diese Fehlinterpretation von Zusammenhängen scheinen in Epidemiologischen Studien* absolut keine Seltenheit zu sein und finden sich ebenso bei Zusammenhängen zwischen Sterblichkeit und Blutdruck, BMI, Cholesterin und Blutzucker [18].

Häufig, aber nicht immer, gehen bspw. ein niedriger Blutdruck oder BMI dem bald folgenden Tod voraus, sind also damit nicht kausal (ein niedrigerer Blutdruck würde dann mit erhöhter Sterblichkeit einhergehen), sondern eher ein Prädiktor.
*Die Epidemiologie ist die Lehre von der quantitativen Erforschung der Faktoren, die Gesundheitszustände beeinflussen. Als Teilgebiet der Medizin untersucht sie vor allem die Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten in einer Bevölkerung, die damit zusammenhängenden Faktoren (Risikofaktoren sowie Schutzfaktoren) und eventuell entstehende soziale und ökonomische Folgen [19].
Alltagsweisheit 2: Herzschützendes Resveratrol
Resveratrol, ein Pigment aus roten Trauben soll dafür sorgen, dass Rotwein gesund für unser Herz ist. Das haben wir tausende Male gehört oder gelesen. Dieses als Antioxidanz wirkende Polyphenol soll zur Reduktion von LDL Cholesterin und dem Anstieg des “guten” HDL Cholesterins beitragen und so das Risiko für Herzinfarkt und die Bildung von Ablagerungen in den Blutgefäßen reduzieren [20].
Um uns dieser Aussage zu nähern und zu entscheiden, wie viel Wahrheit oder Fiktion dahintersteckt, müssen wir uns zunächst einmal das Resveratrol selbst anschauen.
Die Wirkung von Resveratrol
In Studien konnte gezeigt werden, dass eine Kalorienreduktion um etwa 30-40% die Lebenserwartung deutlich steigern kann, wenn gleichzeitig die Versorgung mit allen Vitaminen und Mineralien, sowie Mikronöhrstoffe gewährleistet ist [21]. Nun ist das für die meisten Menschen sicherlich ein wenig erfreuliches Unterfangen, ständig Hunger zu haben und dann auch noch viel länger zu leben.

Die Entdeckung von Resveratrol ließ neue Hoffnung aufkeimen, denn es schien – zumindest in Hefen – den gleichen lebensverlängernden Effekt zu haben, wie eine Kalorienrestriktion (Studie etwa 1996) [21]. Darüber hinaus konnte diese antioxidativ wirksame Substanz auch den Blutzuckerspiegel senken, wirkte gegen Entzündungen und Krebs [22].
Die benötigten Mengen an Resveratrol wären jedoch für Menschen gar nicht so leicht in die tägliche Ernährung zu integrieren, obwohl es nicht nur in roten Trauben, sondern auch in Blaubeeren, Cranberries, Maulbeeren, Heidelbeeren, Jackfrucht Erdnüssen vorkommt [20,22]. Resveratrol in einer Menge von etwa 22 mg/kg/Tag hatte in Mäuseversuchen positive gesundheitiche Wirkungen gezeigt [22]. Wenn wir das auf eine 80 kg Person umrechen, würde der Tagesbedarf an reinem Resveratrol bei etwa 1,76 g liegen. Frische Trauben haben aber durchschnittlich etwa einen Resveratrolgehalt von nur 1 mg je 160g [25]. Um 1,76 g Resveratrol aufzunehmen müsste man also einfach nur 281 kg Trauben am Tag essen [25]. Das erschien nicht besonders realistisch, also wurde versucht, Resveratrol in Pillenform zu pressen.
Aber auch hier zeigte sich, dass es eine nicht zu lösende Herausforderung war, eine stabile, gut absorbierbare und ausreichend große Menge an Resveratrol in Pillenform zu verpacken, um eine Wirkung zu erreichen. Die Studie wurde daraufhin eingestellt.

Fazit: Die positiven Wirkungen von Resveratrol auf zahlreiche Aspekte der Gesundheit scheinen nur wenig umstritten zu sein. Die Herausforderung liegt wohl eher darin, eine Darreichungsform für den Menschen zu entwickeln, um eine ausreichend große Menge aufnehmen zu können, die im Körper absorbiert wird und damit auch positive Wirkungen entfalten kann.
Resveratrol in Rotwein
Nun ist also Resveratrol vermutlich super gesund und kann vielleicht sogar unser Leben verlängern. Kommt hier jetzt doch der leckere Rotwein ins Spiel und hilft uns, ausreichend Polyphenole aufzunehmen? Immerhin enthält Rotwein etwa 10x mehr Resveratrol als Weißwein [23].

Also schauen wir uns die Fakten an. Wie viel Resveratrol enthält Rotein denn nun wirklich?
Ein Liter Rotwein enthält – je nach Sorte – etwa 12,6mg Resveratrol. Um auch nur 500mg Resveratrol aufzunehmen, müssten wir also pro Tag 40 Liter Wein trinken. Für die in Mäuseversuchen wirksame Konzentration von 22mg/kg Körpergewicht würden wir dann täglich vor der Aufgabe stehen, 140 – 750 Liter Wein zu trinken (je nach Sorte) [21,24,25]. Das entspricht mindestens 933 Gläsern (je 150ml). Puh, das wird anstrengend, teuer und mit viel Kopfschmerzen verbunden sein. Darüber hinaus: die arme Leber, die das alles verstoffwechseln muss.
Ich bezweifle, dass wir damit – abgesehen von der Umsetzbarkeit im Alltag – unserer Gesundheit einen Gefallen tun würden (Achtung Humor!), denn die toxische Wirkung von Alkohol selbst ist natürlich nicht zu trennen von den positiven Effekten von Resveratrol (mehr dazu in Teil 2). Also bleibt hier leider das Fazit: Ja Rotwein enthält Resveratrol, aber wir müssten unfassbar große Mengen an Rotwein trinken, um eine wirksame Menge an Resveratrol aufzunehmen. In dieser Menge würde der Alkohol absolut toxisch wirken [28].
Wie soll ich mit diesem Wissen umgehen?
Wenn du nach dieser anhaltenden Enttäuschung diesen Beitrag tatsächlich bis hier gelesen hast, möchte ich dich natürlich nicht einfach so gehen lassen, ohne die Ergebnisse in irgendeiner Form in eine Perspektive einzubinden. Wie kannst du mit dem neuen Wissen sinnvoll umgehen?
Tipp 1: Bessere Entscheidungen treffen
Was uns diese Befunde sicherlich zeigen, dass wir Alkohol nicht trinken sollten, weil wir glauben, dass er gesund ist. Mit diesem Wissen, können wir bessere Entscheidungen treffen und unsere eigenen “Ausreden” einmal kritisch unter die Lupe nehmen (auch wenn das unbequem ist). Gerade, wenn es dir wichtig ist, eine gute Gesundheit (auch langfristig) zu haben, hast du jetzt die notwendigen Hintergründe, um deinen persönlichen Alkoholkonsum entsprechend anzupassen. Und sicherlich wirst du ringsum für Erstaunen sorgen, wenn du dieses Wissen teilst (vermutlich ist es jedoch nicht immer willkommen) :-).

Tipp 2: Weniger ist besser
Egal, wie viele Portionen Alkohol du im Moment pro Woche trinkst, diese zu reduzieren entlastet deinen Körper und macht es ihm leichter, besser zu funktionieren. Selbst dieser eine Schritt sorgt oftmals dafür, dass du spielend ein paar Kilogramm um den Bauch herum abnimmst und sich sowohl Blutzucker als auch Schlaf verbessern. Mehr zu den Auswirkungen von Alkohol auf verschiedene Bereiche deiner Gesundheit gibt es dann im zweiten Teil.
Je schlechter dein Gesundheitszustand im Moment ist, desto wichtiger ist es, deinen Alkoholkonsum deutlich zu reduzieren, um dem ohnehin überlasteten Körper nicht auch noch die Aufgabe aufzubürden, die Toxine zu entsorgen. Was meine ich mit “schlechtem Gesundheitszustand”? Dazu zählen Krebserkrankungen oder Krebsvorerkrankungen, Herzerkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Fettleber, Übergewicht (bei den meisten Menschen ein Zeichen für eine massive Schieflage des Stoffwechsels), chronische Schmerzen oder andere chronische Erkrankungen.

Auch die Anzahl der Medikamente, die du täglich einnimmst, sind ein Hinweis darauf, wie gut dein Gesundheitszustand ist. Da chronische Erkrankungen durch Medikamente nicht geheilt, sondern lediglich “gemanaged” werden, sind viele verschreibungspflichtige Arzneien ein klarer Hinweis darauf, dass dein Körper deutlich vorbelastet und nicht gesund ist.
Tipp 3: Diese Menge ist unbedenklich
Wenn du unbedingt gelegentlich(!) Alkohol trinken möchtest, legen aktuelle Studien im Moment nahe, dass 2 Portionen pro WOCHE gesundheitlich ziemlich unbedenklich sind [26,30,31]. Als 1 alkoholisches Getränk gelten in diesem Zusammenhang 355ml Bier (5% Alkoholgehalt) oder 148 ml Wein (12% Alkoholgehalt), die merkwürdig krummen Zahlen stammen aus der Umrechung von oz (Unzen) in ml [31].
Kanada hat diese Empfehlungen bereits auf höchster Ebene für die Bevölkerung integriert [31]. Auf der offiziellen Seite des Kanadischen Zentrums für Substanzgebrauch und Sucht (CCSA) ist das mit 2 alkoholischen Getränken je Woche verbundene gesundheitliche Risiko wie folgt formuliert “Du kannst wahrscheinlich mit dem Alkoholkonsum verbundene Konsequenzen für dich und andere bei dieser Menge vermeiden”* [31].
* “You are likely to avoid alcohol-related consequences for yourself or others at this level.”
Mir ist klar, dass diese aktuelle Empfehlung meilenweit von alten Richtlinien abweicht und sicherlich eine unbequeme Wahrheit ist. Aber es wäre dumm, mit dem wachsenden Stand neuer Erkenntnisse nicht die Empfehlungen entsprechend anzupassen, sondern wider besseren Wissens einfach die Augen zu verschließen. Schließlich sind wir selbst am Ende die Leidtragenden, wenn Alkohol uns krank macht (siehe Teil 2).

Die gute Nachricht daran ist aber sicherlich, dass nichts gegen ein gepflegtes Glas Rotwein am Wochenende spricht, wenn es für dich wichtig ist. Ergänzend hierzu: Es gibt keine Alkoholmenge, die als sicher gilt, wenn man schwanger ist oder schwanger werden möchte [30].
Tipp 4: Gewusst wie
Hier noch 2 Tipps, die aus einer aktuellen Studie stammen (Zoe Predict). Die Ergebnisse zeigen, dass Rotwein aufgrund der enthaltenen Polyphenole zumindest eine etwas bessere Wahl ist als andere alkoholische Getränke [27]. Ergänzend kommt der Körper mit dem Alkohol offenbar besser klar, wenn er zu einer Mahlzeit eingenommen wird [27]. Zusätzlich muss ich jedoch hier auch klarstellen, dass eine andere Studie wiederum zeigt, dass wir hinsichtlich der Effekte von Alkohol auf unser Gehirn nicht davon ausgehen können, dass Wein gesünder ist als Bier oder Likör (mehr dazu in Teil 2) [29]. Ihr seht, es ist kompliziert…
Im zweiten Teil des Artikels, schaue ich die Wirkung von Alkohol auf verschiedene Bereiche unserer Gesundheit genauer an und ich verspreche jetzt schon: Das wird super spannend! Dabei wird es um Schlaf und Stress, aber auch unser Gehirn und Krebserkrankungen gehen! Klick einfach auf den folgenden Beitrag, um weiterzulesen, was Alkohol mit deiner Gesundheit macht:
Wenn du jetzt noch Zeit hast, auf meiner Seite etwas weiterzulesen, dann findest du hier eine Vielzahl weiterer spannender Artikel:
Zum Weiterlesen auf meiner Seite:
Ressourcen & Quellen:
- [1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html
- [2] https://www.bundesdrogenbeauftragter.de/themen/suchtstoffe-und-suchtformen/alkohol/
- [3] https://www.dkfz.de/de/nationale-krebspraeventionswoche/alkoholatlas-2022.html
- [4] https://hopfenseidank.de/magazin/bierwissen/alkoholgehalt/
- [5] https://www.dkfz.de/de/nationale-krebspraeventionswoche/alkohol-und-krebs.html
- [6] https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/alkohol/?L=0
- [7] Michael Greger (2017): How not to die. Discover the Foods Scientifically Proven to Prevent and Reverse Disease. Pan. Main Market Edition.
- Deutsche Ausgabe: Michael Greger (2016): How Not to Die: Entdecken Sie Nahrungsmittel, die Ihr Leben verlängern – und bewiesenermaßen Krankheiten vorbeugen und heilen. Unimedica
- [8] https://nutritionfacts.org/audio/alcohol-and-your-health/
- [9] https://nutritionfacts.org/video/do-any-benefits-of-alcohol-outweigh-the-risks/
- [10] https://nutritionfacts.org/video/The-Best-Source-of-Resveratrol/
- [11] https://nutritionfacts.org/video/Is-It-Better-to-Drink-Little-Alcohol-Than-None-at-All/
- [12] Bo Xi, Sreenivas P. Veeranki, Min Zhao, et al. (2017): Relationship of Alcohol Consumption, to All-Cause, Cardiovascular, and Cancer-Related mortality in U.S. Adults. Journal of the American College of Cardiology, pp 913-922 http://dx.doi.org/10.1016/j.jacc.2017.06.054
- [13] Tim Stockwell, Jinhui Zhao, Sapna Panwar, et al. (2016): Do “Moderate” Drinkers have a reduced Mortality Risk? A Systematic Review, and Meta-Analysis of Alcohol Consumption and All-Cause Mortality. J Stud Alcohol Drugs https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26997174/
- [14] https://www.wineamigos.de/blogs/weinwissen/wein-alkoholgehalt
- [15] Giovanni de Gaetano, MD, PHD, Simona Costanzo, MS, PHD (2017): Alcohol and Health. Praise of the J Curves. J Am Coll Cardiol. 2017 Aug, 70 (8) 923–925, https://www.jacc.org/doi/10.1016/j.jacc.2017.07.710 (J-Kurve Study)
- [16] Kaye Middleton Fillmore, Tim Stockwell et al. (2007): Moderate Alcohol Use and Reduced Mortality Risk: Systematic Error in Prospective Studies and new Hypotheses. Annals of Epidemiology, Volume 17, Issue 5, Supplement, May 2007, Pages S16-S23, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1047279707000075
- [17] Robert Goulden (2016): Moderate Alcohol Consumption is not associated with reduced all-cause mortality. Am J Med., Volume 129, Issue 2, February 2016, Pages 180-186.e4, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0002934315010153
- [18] Naveed Sattar & David Preiss (2017): Reverse Causality in Cardiovascular Epidemiological Research, More common than imagined? Circulation, 2017, 135: 2369-2372, https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/circulationaha.117.028307
- [19] https://flexikon.doccheck.com/de/Epidemiologie
- [20] https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/heart-disease/in-depth/red-wine/art-20048281
- [21] https://sitn.hms.harvard.edu/flash/2011/resveratrol-red-wine-and-health/
- [22] https://link.springer.com/article/10.1007/s10741-011-9234-6
- [23] https://health.clevelandclinic.org/resveratrol-benefits/
- [24] https://www.livestrong.com/article/411745-how-much-red-wine-do-you-need-to-get-enough-resveratrol/
- [25] https://superfoodly.com/resveratrol-foods-supplements/
- [26] https://www.youtube.com/watch?v=Jl-hyrCTat4, Dr. Tim Naimi of the University of Victoria’s Canadian Institute for Substance Use Research
- [27] https://www.youtube.com/watch?v=mY4j9C_ZB5I, Prof. Tim Spector & Dr. Sarah Berry, Zoe Podcast
- [28] What Alcohol Does to Your Body, Brain & Health | Huberman Lab Podcast #86
- [29] https://www.forbes.com/sites/elvaramirez/2021/06/01/study-no-amount-of-drinking-alcohol-is-safe-for-brain-health/
- [30] https://www.theguardian.com/world/2023/jan/18/canada-alcohol-drinks-guidelines-health
- [31] https://ccsa.ca/canadas-guidance-alcohol-and-health
- [32] https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/risikofaktor-alkohol/problematischer-konsum
11 Gedanken zu „Die Wahrheit über ALKOHOL (Teil 1/2)“