Wie oft gehen wir selbst davon aus, dass wir “Ernährungssünden” mit Bewegung oder Training einfach kompensieren können. Wenn wir genug trainieren, können wir also alles essen. Stimmt das wirklich? Können wir Pizza, Pommes und Torte mit einer extra Trainingseinheit kompensieren? Um uns diese Zusammenhänge genauer anzuschauen, werden wir klären, welche Effekte eine “schlechte” Ernährung hat und welche dieser Effekt möglicherweise durch Training ausgleichbar sind. Du darfst gespannt sein.
Was ist eine “schlechte Ernährung”
Das, was ich hier – um es einfach zu halten – als “schlechte Ernährung” bezeichne und im Intro als “Ernährungssünde”, lässt sich wie folgt differenzieren. Als “schlecht” kann man ein Ernährung bezeichnen, wenn sie
- a) nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse unseres Körpers nach Nähr- und Baustoffen zu decken (Mikro- und Makronährstoffe) und
- b) dem Körper Stress bereitet, weil in der Nahrung Stoffe enthalten sind, die als Toxine “entgiftet” werden müssen, Abläufe im Körper stören oder negativ verändern.
Beide Aspekte können uns – unabhängig voneinander – kurz-, mittel- und langfristig krank machen.

Was WIR hingegen umgangssprachlich meinen, wenn wir von “Ernährungssünden” sprechen, ist in der Regel ein hoher Kaloriengehalt. Wir glauben, dass er Gewichtszunahme verursacht, weil der Körper aus den nicht verbrauchten Kalorien neues Fettgewebe bildet. Meistens meinen wir damit Produkte, die viel Zucker oder Fett (oder beides) enthalten, Paradebeispiel Sahnetorte.
Dürfen schlanke Menschen alles essen?
Wenn wir einen Moment in dieser “Alltagsdenke” bleiben, dürfte eine “schlechte” Ernährung auch nur dann problematisch sein, wenn man dick ist, oder die Neigung zu Übergewicht hat. Deswegen haben ja scheinbar schlanke Menschen (mit oder ohne Training) oft auch die Rechtfertigung, dass sie alles essen dürften, weil sie ja nicht dick sind.
Aber das ist – wie du dir vielleicht denken kannst – schlicht und ergreifend falsch.



Von “scheinbar” schlank spreche ich hier, weil Konfektionsgröße und Körpergewicht eben noch nichts darüber aussagen, wie viel gefährliches Fett in Leber und Organen eingelagert ist. Das sichtbare, so genannte subkutane Fett (also das Fett unter der Haut), ist am wenigsten problematisch, auch wenn es uns meistens stört.
Der wirkliche Übeltäter sind aber eingelagerte Fette in der Leber und im Bauchraum zwischen den Organen. Sie fördern aktiv entzündliche Prozesse und schnellere Alterung im Körper. Menschen können durchaus äußerlich schlank und innen “verfettet” sein. Sie werden im Englischen als TOFI’s bezeichnet: “thin outside, fat inside”, also “außen dünn und innen fett”. Und das ist ein großes Risiko für zahlreiche chronische Erkrankungen, wird aber meistens nicht erkannt.
Schlankheit ist kein Freibrief
Selbst dann, wenn jemand (noch) kein Fett in Leber und Organen eingelagert hat, bleibt eine hochverarbeitete Ernährung mit wenigen Nährstoffen, vielen Toxinen und vielen Kalorien nicht ohne Konsequenzen. Sie geht komplett am Bedarf unseres Körpers vorbei und könnte damit verglichen werden, Sand in das Getriebe unseres Autos zu streuen. Sichtbare und unsichtbare Fetteinlagerung sind nur 2 der Konsequenzen, die “falsches” Essen haben kann. Lange nicht alle Menschen neigen zur Einlagerung von Fett unter der Haut, vor Leberverfettung sind sie dewegen keineswegs geschützt. 8 weitere Mechanismen einer “schlechten Ernährung” sind nicht einmal sichtbar, aber in ihren Wirkungen keineswegs weniger spürbar.
Auch im heutigen Artikel (wie auch hier) werde ich mich auf das brillante und augenöffnende Buch von Robert Lustig beziehen und einzelne Infos daraus nicht extra kennzeichnen. Beziehe ich mich auf weitere Quellen, werde ich das kenntlich machen:
Robert Lustig (2021): Wie unser Essen uns krank macht: Die Lügen und Tricks der Lebensmittelindustrie durchschauen, chronische Krankheiten vermeiden und gesund bleiben. riva Verlag
Wie unser Essen uns krank macht
Wie wir im Artikel “Wie unser Essen uns KRANK macht” gelernt haben, wirken die Mechanismen, die zu chronischen Erkrankungen und Übergewicht führen, auf Zellebene. Der Gedanke, dass Kalorien (Fett, Zucker) einfach im Fettgewebe gespeichert werden, greift zu kurz. Bevor wir Diabetes bekommen, Übergewicht oder metabolisches Syndrom, werden 8 Prozesse auf Zellebene gestört, die all diesen Erkrankungen zugrunde liegen. Wenn dich dieses Thema genauer interessiert, sollstest du noch einmal in den genannten Artikel hineinschauen, denn er ist quasi die Grundlage für das heutige Thema.



Um es dir aber im Moment zu ermöglichen, einfach hier weiterzulesen, möchte ich zunächst ganz kurz die 8 Prozesse noch einmal aufgreifen, die durch “schlechte” Ernährung (insbes. hochverarbeitete Produkte, Zucker, Fast Food, Fruktose) gestört werden. Danach möchte ich zeigen, welche dieser Prozesse durch Training positiv beeinflusst werden können.
8 Prozesse auf Zellebene
Folgende Prozesse werden auf Zellebene gestört, wenn unsere Nahrung hochverarbeitet, toxinreich und nährstoffarm ist:
- Oxidation: Die Bildung so genannter freier Radikaler schädigt unsere Zellen und kann zum Zelltod führen.
- Karamellisierung: Verzuckerung unserer Zellen, was deren Funktionsfähigkeit einschränkt.
- Dysfunktion der Energiekraftwerke: Alle Organe und Prozesse im Körper benötigen Energie, die durch unsere Mitochondrien gebildet wird. Werden sie geschädigt, sterben wir früher.
- Insulinresistenz: Wenn unser Körper dauerhaft mit Zucker geflutet ist, weigern sich die Zellen irgendwann den Überschuss an Energie aufzunehmen. Dann beginnen sie, die Transportbusse des Zuckers (Insulin) zu ignorieren. Sowohl der daraus resultierende hohe Blutzucker als auch der hohe Insulinspiegel fördern chronische Erkrankungen.
- Störung der Zellmembran: Wird die Zellmembran durch Toxine, freie Radikale oder einen Mangel an hochwertigen Baustoffen spröde und unflexibel, können Prozesse nicht optimal ablaufen. Die Zelle kann aber auch daran zugrundegehen, wenn die Membran reißt.
- Chronische Entzündungen: Unser Immunsystem, aber auch akute Entzündungen können chronische Entzündungsprozesse auslösen oder aufrechterhalten, die unseren Zellen schaden. Ein zentraler Auslöser ist hochverarbeitete Nahrung.
- Störung im Recycling: Regelmäßig müssen alte, kranke und dysfunktionale Zellen entsorgt werden, das nennen wir Autophagie. Dieses Recycling wird dadurch gestört, dass wir pausenlos essen und das macht uns schneller alt und krank.
- Veränderung der Genaktivität: Unsere Umwelt beeinflusst, welche unserer Gene an- und abgeschaltet werden und bspw. zu Krankheit führen können. Rahmenbedingungen können Toxine, Stress aber auch eine hochverarbeitete Ernährung sein.
Hier gibt es die Informationen zu den 8 Prozessen auf Zellebene noch einmal mit mehr Detail:
Welche dieser 8 Prozesse beeinflusst Training?
Jetzt wird es interessant. Inzwischen haben wir uns so weit vom Alltagsdenken der Kalorien als “Übeltäter” entfernt, die man ja rein theoretische einfach “abtrainieren” könnte. Welche dieser 8 Prozesse sind durch körperliches Training zu verbessern und welche sind nicht durch Training beeinflussbar? Was denkst du?



Training kann tatsächlich einige dieser Pathologien auf Zellebene positiv beeinflussen und zwar 5 der 8 oben genannten. Das ist sicherlich eine gute Nachricht, heißt aber auch, dass 3 durch hochverarbeitete Nahrung ausgelöste Schäden auf Zellebene eben nicht durch Training verbessert werden können.
Positiv durch Training beeinflussbare Prozesse
Folgende 5 Prozesse können positiv durch Training beeinflusst werden:
- Die Funktion der Mitochondrien, weil Training die Bildung neuer, frischer und voll funktionsfähiger Mitochondrien fördert, die unsere Energiekraftwerke in den Zellen sind.
- Insulinresistenz, indem eingelagertes Fett in Muskeln und Leber reduziert wird.
- Autophagie, also die zelluläre Müllabfuhr zur Entsorgung alter, kranker und dysfunktionaler Zellen.
- Entzündungen, denn Training fördert die Bildung von antientzündlichen Botenstoffen und ist überhaupt ein ganz zentrales Mittel der Wahl bei chronischen, also unterschwelligen Entzündungen.
- Epigenetik: Training kann die Ausdrucksweise unserer Gene positiv verändern und so die Grundlage für mehr Gesundheit schaffen. Offenbar ist dieser Effekt aber größtenteils durch die entzündungsreduzierende Wirkung von Training vermittelt.



Diese Prozesse werden nicht durch Training beeinflusst
Training kann hingegen folgende 3 Prozesse nicht positiv beeinflussen:
- Karamellisierung (Glykation): Schäden, die Zellen durch die Omnipräsenz von Zucker und Fruktose erleiden, kann nicht durch Training neutralisiert werden.
- Oxidativen Stress: Training fördert sogar erst einmal oxidativen Stress und sorgt darüber später für Anpassungsreaktionen des Körpers.
- Integrität der Zellmembran: Diese wird entscheidend durch die Zufuhr der richtigen “Baustoffe” bestimmt, aber auch durch Oxidation und Toxine.
Die Ernährung entscheidet
Der beste Beweis dafür, dass Training nicht ausreicht, um “Ernährungssünden” zu kompensieren, sind einige Athleten. Sie trainieren manchmal sogar 5 Stunden am Tag, verbrauchen Unmengen an Kalorien, z.B. Triathleten und sind dennoch nicht vor chronischen Erkrankungen gefeit, wenn sie ihre Ernährung vernachlässigen. Robert Lustig nennt in seinem Buch exemplarisch einen Triathleten, der mit 38 Jahren pre-diabetisch und insulinresistent wurde, trotz des großen Trainingsvolumens. Eigentlich unvorstellbar. Wir wissen jedoch jetzt genauer, warum genau das passieren kann. Denn Training beeinflusst nur 5 der 8 Prozesse auf Zellebene, die durch eine schlechte Ernährung gestört werden.



Unsere Ernährung ist also der entscheidende Faktor, wenn wir lange gesund bleiben wollen, frei von chronischen Krankheiten. Immerhin essen wir täglich 3-5 Mal und haben damit zwischen 90 und 150 Mahlzeiten im Monat, die sich in ihrer Wirkung enorm addieren. Wenn du noch genauer lernen möchtest, welche Wirkung Nahrung auf unsere Gesundheit hast, dann findest du mehr Informationen dazu hier: Wie unser Essen uns KRANK macht
Training darf nicht unterschätzt werden
Training ist dennoch eine super wichtige zweite Säule und in seiner Wirkung absolut nicht zu unterschätzen (mehr dazu HIER). Es ist sogar die wichtigste Maßnahme, um Erkrankungen wie Demenz und Alzheimer zu vermeiden, also lange von einem gesunden Gehirn zu profitieren. Aber Training ist eben nicht in der Lage, die Effekte einer schlechten Ernährung zu kompensieren. Unsere Trainingseinheiten liefern uns damit keinen Freifahrtsschein, wenn wir nachher Chips, Pommes, Burger, Cola, Süßigkeiten, Alkohol und andere hochverarbeitete Produkte konsumieren.
Hinweise dazu, wie eine gute Ernährung funktionieren kann, findest du zahlreich auf meiner Seite und ich werde einige besonders gut zum Thema passende Artikel hier verlinken:
Ich würde gern von dir hören, ob du über die Informationen im Beitrag überrascht bist und ob du etwas in deinem Alltag ändern möchtest, nachdem du nun genauer über diese Zusammenhänge Bescheid weißt! Kommentiere gern unter diesem Beitrag, ich freue mich von deinen Erfahrungen zu lesen!
Ressource:
Robert Lustig (2021): Wie unser Essen uns krank macht: Die Lügen und Tricks der Lebensmittelindustrie durchschauen, chronische Krankheiten vermeiden und gesund bleiben. riva Verlag
Sehr interessant 🧐 werde mir aber zusätzlich das Buch von Robert lustig holen! Danke meine Liebe 🫶 für die Anregung! Lg Heidi
Dankeschön! Es ist ein kompaktes Buch, aber sehr lesenswert. Viel Spaß bei der Lektüre! Euch noch einen schönen Sonntag!