Wir alle kennen sie, die Werbung mit dem “Milchbart” und die allgegenwärtige Aussage, dass MILCHPRODUKTE wichtiges Kalzium für starke Knochen liefern und gesund sind. Was ist dran an diesen Aussagen? Wie gesund sind Milchprodukte wirklich?
Milchprodukte früher und heute
Die Milchprodukte, die wir heute verzehren, haben mit denen von vor 100 Jahren praktisch nichts mehr gemeinsam. Unsere Kühe heutzutage sehen meistens weder das Tageslicht, noch können sie sich von Gras ernähren, wie das eigentlich von der Natur “vorgesehen” ist und artgerecht wäre. Im englischen gibt es dafür einen Begriff, der eigentlich erschreckend ist: “zero-grazing management” (Null-Grasen-Management) [10]. Die reale Situation ist also weit entfernt von der gern beworbenen Idylle mit gut gelaunter Kuh auf grüner Weide.

Die Tiere in konventioneller Haltung sind häufig krank, hochgestresst, abgemagert und frühzeitig ausgelaugt. Nicht selten leiden sie unter Mastitis, einer Euterentzündung und zahlreichen anderen Beschwerden. Diese sind teils durch Haltung, teils durch die Zucht bedingt [10]. Sie bekommen in der Regel Antibiotika und Medikamente, um trotz Erkrankungen und Entzündungen für die Milchproduktion genutzt werden zu können. Auch präventive Antibiotikagaben sind üblich [10].
Ein Schelm, wer annehmen könnte, das sich diese Entzündungsfaktoren, Medikamente und der generelle Stress der Tiere (dieser äußert sich ja auch hormonell) in der Milch wiederfinden könnten. Auch die in der Regel nicht artgerechte Fütterung auf Basis von Soja und Mais sorgt für weiteren Stress und Entzündungen in den Verdauungsorganen der Tiere, die eigentlich grasen müssten, um gesund zu bleiben [10]. Nicht umsonst erreichen Milchkühe unter den genannten Bedingungen oft nur ein Alter von etwa 4,5 Jahren, während Kühe in der “Haustierhaltung” durchaus 15 Jahre alt werden können [10,12].



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Wie gesund sind MILCHPRODUKTE wirklich? | Ep. #32 – Dr. Magdalena Schauenberg
Die Kuh gibt doch Milch, oder?
Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, warum unsere Kühe Milch “geben”? Die machen das doch immer so, oder? Nein, das ist ein Trugschluss.
Kühe geben nur Milch, nachdem sie ein Kalb geboren haben. Die Milch ist tatsächlich die Muttermilch für das Kalb. Sie soll das Kalb in kurzer Zeit enorm wachsen und an Masse zulegen lassen. Nicht unbedingt das Ziel, das wir mit dem Milchkonsum verbinden. Die wenigstens Menschen brauchen in der heutigen Zeit ein solches “Kraftfutter”.
Darüber hinaus ist es natürlich auch eine ethische Frage, die jeder mit sich selbst klären muss: Damit wir Milch trinken können, werden Kuh und Kalb in der Regel wenige Stunden nach der Geburt getrennt. Beide leiden unsäglich unter dieser Trennung [10]! Ausnahmen sind so genannte Mutterkuh-Haltungen oder die “Muttergebundene Kälberaufzucht”, die bisher noch nicht so weit verbreitet ist [11].



Sind Bio-Milchprodukte besser?
Unter dem Aspekt der Medikamenten- und Antibiotikabelastung, sind Bio-Milchprodukte sicherlich besser als Milch aus konventioneller Haltung. Auch das Futter, das Tiere in Bio-Haltung bekommen, ist artgerechter als in konventioneller Haltung (wenn auch sicherlich nicht optimal). Weidegang ist ebenfalls vorgeschrieben, zumindest anteilig [1]. Dennoch wird ein Aspekt oft nicht ausreichend bedacht: Die Schwangerschaft der Kühe verändert deren Hormonhaushalt und genau diese Schwangerschaftshormone finden wir in der Milch. Ein Glas Milch kann bis zu 60 verschiedene Hormone enthalten [19]. Das ist unabhängig davon, ob die Kuh unter konventionellen oder bio Bedingungen gehalten wird. Bio-Kühe werden sogar oft auch während einer Schwangerschaft gemolken [19].
Endokrine Disruptoren
In unserer modernen Welt sind wir bereits, ohne es zu wissen, zahlreichen Faktoren ausgesetzt, die unsere Hormone stören (sog. Endokrine Disruptoren). Dazu gehören bspw. Chemikalien wie BPA, Dioxin, Phthalate, PCB oder Triclosan [2,4]. In Kontakt kommen wir mit diesen Stoffen über Plastikprodukte, Kosmetika, Haushaltreiniger, Herbizide und unsere Nahrung [4]. Diese Stoffe wirken im Körper ähnlich, wie unsere körpereigenen Hormone und verändern deren empfindliche Balance.



Die Folge können Probleme mit verschiedenen Organsystemen wie Reproduktion, Gehirn, Immunsystem und der Entwicklung generell sein [4]. Zu diesen genannten hormonellen Einflüssen kommt dann eben noch die Ladung Schwangerschaftshormone aus Milchprodukten hinzu. Kein Wunder, dass Östrogendominanz (eine Form der gestörten Hormonbalance) bei Männern und Frauen zunimmt [5,6]. Auch andere hormonelle Dysbalancen sind inzwischen recht verbreitet wie z. B. Störungen der Schilddrüsenhormone [6].
Hier gibt es 3 Artikel auf meiner Seite zum Thema Toxine:
- TOXINE vermeiden – 4 simple Tipps für den Alltag
- 3 TOXINE im Alltag, die du vermeiden solltest
- Gesünder leben mit weniger PLASTIK
Milchprodukte, Unverträglichkeiten & Allergien
Über all die Faktoren hinaus, ist Milch eines der Produkte, auf das Menschen besonders häufig mit Unverträglichkeit oder Allergien reagieren. Die bei uns verbreiteten Milchkühe liefern Milch, die ein bestimmtes Protein enthält, das sich Kasein A1 nennt. Dieses Protein, aber auch die enthaltene Galaktose in Milchprodukten, werden inzwischen vermehrt in Zusammenhang mit Beschwerden wie Herzerkrankungen, Diabetes, Autismus, Darmentzündungen, “Leaky gut” (durchlässiges Darmsyndrom) und hormonellen Störungen gebracht [7,16]. Auch Asthma, Ekzeme, Allergien, Erschöpfung und Gelenkschmerzen sowie Arthritis werden als Folgen des Konsums von A1 Kasein genannt [7]. Häufige Mittelohrentzündungen bei Kindern und Sinusitisbeschwerden bei Kindern und Erwachsenen verschwinden oftmals erstaunlich schnell, wenn der Konsum von Kuhmilchprodukten eingestelllt wird [9].



Viele Menschen, die von sich glauben, Laktoseintolerant zu sein, vertragen eigentlich Milchprodukte aufgrund des enthaltenen Kaseins (=Eiweiß) nicht. Laktose ist der Milchzucker, er mag in vielen Fällen einer Unverträglichkeit von Milchprodukten gar nicht die Hauptrolle spielen. Es kann davon ausgegangen werden, dass 1/4 der Menschen, die glauben, laktoseintolerant zu sein, eigentlich Kasein A1-intolerant sind [7].
Besser vertragen wird in der Regel Kasein A2, das in Milchprodukten von Schafen, Ziegen, Büffeln und z. B. Kühen in Asien oder Afrika enthalten ist [8]. Die oben genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen scheinen, obwohl sich beide Kaseinformen nur wenig voneinander unterscheiden, bei dem Konsum von Kasein A2 nicht aufzutreten.
Bevorzugt werden die Kühe, die Milch mit Kasein A1 liefern, jedoch in vielen Ländern aufgrund der größeren Milchleistung [7]. Kuhmilchprodukte mit Kasein A2 sind meines Wissens in Deutschland bisher nicht erhältlich. Vielleicht ändert sich das noch in naher Zukunft, wenn das Bewusstsein dafür steigt.
Starke Knochen dank Milch?
Und dann hängt quasi noch das Argument in der Luft, dass Kinder Milch trinken müssen, um starke Knochen zu bekommen. Natürlich wollen Eltern, dass ihre Kinder starke Knochen bekommen, aber ist Milch dafür die beste Wahl?



Studien, die Zusammenhänge zwischen Frakturrisiko und Milchkonsum untersuchen, kommen häufig nicht zu eindeutigen Ergebnissen [14]. Obwohl Milchkonsum bei Kindern mit einigen Parametern einhergehen kann, die bessere Knochendichte und -gesundheit belegen [18], gibt es auch gegenteilige Befunde [20].
Bei Erwachsenen zeigen Studien entweder, dass kein Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Knochendichte besteht, belegen einen positiven* Zusammenhang (mehr Milchkonsum = größeres Frakturrisiko) oder zeigen sogar ein erhöhtes Sterberisiko im Zusammenhang mit erhöhtem Milchkonsum [15,16,17]. Die Sachlage scheint also weit weniger klar zu sein, als gern behauptet wird.
*positiv im statistischen Sinne: je MEHR z. B. Milchkonsum, desto MEHR Risiko für Knochenbrüche.
Wichtig ist es bei diesen (und allen anderen) Untersuchungen immer zu wissen, wer der Geldgeber und Auftraggeber dieser Studie ist und welche Interessen diese Firma/Vereinigung vertritt. Leider ist das für uns Verbraucher oft nicht leicht durchschaubar. Wer sucht sich schon Originalstudien heraus und recherchiert dann, wer wo im Aufsichtsrat sitzt oder wer die Studie finanziert hat?
Milch liefert Kalzium. Für starke Knochen reicht das aber allein nicht aus. Kinder brauchen auch ausreichend Vitamin D und K in ihrer Nahrung, um stabile Knochen zu entwickeln.
Lebensmittel mit einem hohen Kalziumgehalt, die einen festen Platz in der Ernährung von Kindern und Erwachsenen haben sollten, sind beispielsweise: Rukola, Sardinen, Tahini (Sesampaste), Samen (Chia, Mohn), Mandeln, Brokkoli, Grünkohl, Fenchel, Lauch, Bohnen, Linsen, Amaranth und kalziumreiches Mineralwasser [20,21].
Wie sollte ich mit Milchprodukten umgehen?
Probiere, 2-4 Wochen Pause von allen Milchprodukten zu nehmen und beobachte, ob einige deiner unerklärten Beschwerden plötzlich verschwinden: die laufende oder verstopfte Nase, Blähungen, Hautprobleme, Durchfall oder Erschöpfung. Nach dieser Zeit probiere einfach wieder, Milchprodukte zu essen und beobachte, ob die Symptome zurückkehren. Dein Körper wird sich nach dieser Pause vermutlich eindeutig äußern und keinen Zweifel daran lassen, ob Milchprodukte ihm gut bekommen oder Stress machen!
Generell sollte kein Erwachsener Milchprodukte in großen Mengen regelmäßig konsumieren. Denk daran, sie ist das Kraftfutter, um Kälber schnell wachsen zu lassen. Besondere Vorsicht ist angeraten, wenn entzündliche Erkrankungen, Allergien, Hautprobleme oder hormonelle Dysbalancen vorliegen (schau einfach noch einmal in die Liste der mit Milchkonsum assoziierten Symptome).
Wenn du auf Milchprodukte dennoch nicht verzichten möchtest, bevorzuge eher fermentierte Produkte wie Kefir oder Joghurt [16]. Suche dabei nach Produkten, die auf Vollmilch basieren (nicht fettreduziert oder fettfrei) und aus Bio-Milch bestehen. Milch und Käse von Schafen und Ziegen ist sicherlich für viele Menschen gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht einen Versuch wert.



Eine gute vegane Alternative sind Pflanzenmilchprodukte wie Mandelmilch, Hafermilch, Reismilch etc. (mehr dazu hier: Vegane Alternativen für Milch – getestet.). Sojaprodukte sind leider nicht ganz unproblematisch und sollten eher gemieden werden (einen ganzen Artikel zum Thema Soja gibt es hier: SOJA – wie gut oder schlecht ist es wirklich?).
Wirst du deinen Umgang mit Milchprodukten verändern, nachdem du diese Infos jetzt gelesen hast? Ich bin gespannt auf deine Rückmeldung!
Mehr zu Gesundheitsthemen auf meiner Seite:
- Die 3 Nahrungsergänzungsmittel für praktisch jeden
- SOJA – wie gut oder schlecht ist es wirklich?
- Vegane Alternativen für Milch – getestet.
- Was unsere Schilddrüse mit Gewicht, Schlaf und Ernährung zu tun hat.
- Mein Podcast
Ressourcen:
[1] https://www.boelw.de/service/bio-faq/landwirtschaft/artikel/womit-werden-bio-tiere-gefuettert/
[2] BPA Risiken (engl.) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25813067/
[3] https://www.niehs.nih.gov/health/topics/agents/endocrine/index.cfm
[4] https://www.niehs.nih.gov/health/topics/agents/endocrine/index.cfm
[5] Östrogen 1: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29573619/
[6] Östrogen 2: https://www.amymyersmd.com/article/estrogen-dominance-causes/
[7] https://www.drlamcoaching.com/blog/casein-in-milk-friend-or-foe-should-you-drink-milk-learn-more/
[8] https://gundrymd.com/casein-a2-milk/
[9] Mark Hyman MD (2018): Food, what the heck should I eat. Little, Brown Spark.
[10] https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/milchkuehe
[11] https://www.demeter.de/biodynamisches/landwirtschaft/tiere/muttergebundene-kaelberaufzucht
[12] https://durchschnittliche.de/alter-mittelwerte/39-durchschnittliche-lebenserwartung-kuh
[13] https://de.nature-via.com/how-much-calcium-does-a-glass-of-milk-provide
[14] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31089740/
[15] https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Milchkonsum-irrelevant-fuer-Frakturrisiko-312669.html
[17] https://www.praxis-depesche.de/nachrichten/milch-ist-gesund-alles-kaese/
[18] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21434316/
[19] https://drhyman.com/blog/2013/10/28/milk-dangerous-health/
[20] https://drhyman.com/blog/2013/07/05/got-proof-lack-of-evidence-for-milks-benefits/
[21] https://www.healthline.com/nutrition/15-calcium-rich-foods
Hallo Magdalena, vielen Dank für diesen Artikel! Ich konsumiere schon länger Reis- , Hafer- oder Mandelmilch, bekommt mir darmmäßig wesentlich besser als Kuhmilch. Wirst Du auch im Kensho Pflanzendrinks für Kaffee oder Shake anbieten? Fänd ich super!
Viele Grüße, Marion
Liebe Marion, vielen Dank für Dein Feedback. Das hatten wir in der Tat schon überlegt, aber noch nicht umgesetzt. Welche Milchalternative nimmst du am liebsten in den Kaffee?
Ich fände es super, wenn ihr das anbieten würdet! Mein persönlicher Favorite für den Kaffee ist Hafer Barista😋
Ok. Das ist gut! Lieben Dank!