Smartphones und Tablets sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Aber neben den enormen Möglichkeiten, sind auch erhebliche Gefahren mit der exzessiven Nutzung von Bildschirmgeräten und der möglichen Bildschirmabhängigkeit verbunden. Warum diese Geräte tatsächlich ein Suchtpotential haben, darum soll es in diesem Artikel gehen.
Im zweiten Teil des Artikels, Wie die exzessive Bildschirmnutzung unser Leben verändert. (Teil 2), wird es darum gehen, wie diese Bildschirmgeräte unser Leben beeinflussen und mit welchen Strategien wir wieder mehr Kontrolle über unser Leben erlangen können.
Hier kannst du Teil 1 und 2 meiner Artikel zu Bildschirmnutzung und -abhängigkeit in meinem Podcast hören, viel Spaß dabei:

BILDSCHIRMABHÄNGIGKEIT: Warum wir süchtig nach Smartphones werden und wie wir unsere Freiheit zurück erobern können | Ep. #22 – Dr. Magdalena Schauenberg
Gleich hier zu Beginn des Artikels möchte ich ein wunderbares Buch empfehlen, dass sich deutlich detaillierter mit den Auswirkungen unserer Bildschirmnutzung beschäftigt als ich dies hier tun werde:
- Adam Alter (2019): Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit. Berlin Verlag (Taschenbuch & Kindle) [1]
Was ist “Bildschirmabhängigkeit” oder Sucht?
Von “Sucht” sprechen wir in diesem Fall, auch wenn es nicht um den Konsum einer Substanz geht, da wir – trotz negativer langfristiger Konsequenzen – häufig nicht in der Lage sind, unser Verhalten hinsichtlich der Bildschirmgeräte zu verändern.

Diese Geräte spielen in unserem Alltag inzwischen eine große Rolle und nehmen viel Zeit in Anspruch. Sie beschäftigen uns dauerhaft mit Benachrichtigungen und sorgen nebenbei noch für unsere Unterhaltung.
Wir neigen jedoch dazu, die Zeit die wir mit unseren Bildschirmgeräten verbringen, um etwa 50% zu unterschätzen. In den Industiestaaten nutzten Menschen im Jahr 2017 ihre Bildschirme durchschnittlich etwa 4 Stunden jeden Tag. Das heißt es gibt sowohl Menschen, die sie deutlich weniger nutzen, aber auch Personen, die 12 oder mehr Stunden jeden Tag mit Smartphone oder Tablet verbringen. In der Regel hängt das Nutzungsverhalten mit dem Alter zusammen. Die jüngere Generation verbringt weit mehr Zeit vor dem Bildschirm [2]. Wenn wir diese Stunden über ein Jahr aufaddieren, verbringen wir jedes Jahr 24 Tage damit, auf unsere Bildschirme zu starren und durch Facebook und Co. zu scollen. Leider ist der Anteil derer, die lediglich die Unterhaltung nutzen, weitaus größer als der Anteil der Personen, die Bildung, Weiterbildung (Hörbücher, Online Kurse etc.) oder Entspannung in Anspruch nehmen.

Was beeinflusst unser Leben?
Dinge und Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen, beeinflussen unser Leben und unsere Wahrnehmung der Welt am stärksten. Wenn wir nun aber wissen, dass etwa 75% der Menschen, rund um die Uhr, nicht einmal einen Fuß bewegen müssen, um an ihr Smartphone zu gelangen, bekommen wir einen Eindruck davon, wie groß der Einfluss dieser Technik auf unser Leben tatsächlich ist [2].
Es geht sogar so weit, dass wir nicht einmal mehr ein paar Minuten verbringen können, ohne auf den Bildschirm zu schauen, beispielsweise im Zug oder Aufzug. Wir fühlen uns leer und rastlos, wie Abhängige. Besonders schlimm ist es, wenn wir das Telefon tatsächlich vergessen haben. Mehr Betroffene als wir glauben, schauen sogar nachts, wenn sie aufwachen, auf das Telefon weil es neben dem Bett liegt und checken schnell die Emails oder Nachrichten.
Wie kommt es zu Bildschirmabhängigkeit?
Wir verbringen viel Zeit mit unseren Smartphones oder Tablets. Diese Geräte sind perfide durchdacht und programmiert. Sie manipulieren uns, obwohl wir gern die Kontrolle behalten wüden. Die 6 wichtigsten Mechanismen zu kennen, die zu unserer Bildschirmabhängigkeit führen, ist der erste wichtige Schritt auf dem Weg zu mehr Kontrolle.

Wir erschaffen uns unsere Welt
Gar nicht selten entscheiden wir uns für die Unterhaltung durch unsere Bildschirmgeräte, anstatt uns mit der realen Welt auseinanderzusetzen. Sich mit streitenden Kindern, nervenden Kollegen oder offenen Rechnungen zu befassen ist weit weniger attraktiv als in die virtuelle Welt einzutauchen. Spiele mit Belohnungen, Filme, Katzenbilder, die Suche nach Angeboten oder Produkten erscheint eine erstrebenswertere Alternative zum Alltag zu sein. Das Verrückte ist, dass wir uns damit unsere Welt bis zu einem bestimmten Grad aussuchen können.
Aber die Anforderungen der realen Welt mit allen Erwartungen und To-Do Listen, verschwinden eben leider nicht. Vielmehr erschaffen wir uns oft noch mehr Probleme, wenn wir uns der der Realität zu lange entziehen. Kleine Probleme werden schnell zu großen, wir verschwenden eine Menge an Zeit und schaffen nichts (mehr zu sozialen und gesundheitlichen Konsequenzen der Bildschirmabhängigkeit gibt es im zweiten Teil).
Dopaminrausch
Im Netz oder in verschiedenen Apps unterwegs zu sein, Bilder von Hundebabies zu suchen, lustig Videos anzusehen oder Gefällt mir Angaben auf Instagram zu bekommen, sorgt für einen Rausch des Neurotransmitters Dopamin in unserem Gehirn. Alles, was potentiell suchterzeugend ist, sorgt für eine Dopaminausschüttung: Alkohol, Drogen, Glücksspiel oder Pornografie. Dopamin fühlt sich gut an, motiviert uns und sorgt dafür, dass wir mehr von dem wollen, was zur Ausschüttung von Dopamin geführt hat. Allerdings gewöhnen wir uns an Dopamin, wir brauchen also mehr, um den gleichen Rausch zu erzeugen, mehr Shopping, mehr Glücksspiel, mehr Likes, mehr Nachrichten, mehr Bildschirmnutzung.

Schnelle Belohnung
Normalerweise, muss man sich eine Belohnung verdienen. Beispielsweise lernen wir oder trainieren und erhalten dafür eine gute Note oder gewinnen einen Wettkampf. Wir lieben es, belohnt zu werden, gibt es uns doch die unmittelbare Rückmeldung etwas erreicht zu haben und wertvoll zu sein.
Moderne Bildschirmgeräte haben das Belohnungssystem neu erfunden. Jetzt gibt es das Gefühl der Belohnung wenn wir ein Spiel am Bildschirm oder auf dem Telefon spielen, für “Gefällt mir” Angaben auf Facebook oder für neue “Follower” auf Instagram. Belohnt zu werden, ohne dafür arbeiten zu müssen, erscheint ideal, denn wir müssen uns nicht anstrengen. In unserem Inneren wissen wir jedoch, dass wir eigentlich keine großartige Leistung erbracht haben. Die mühelos erreichten Belohnungen verlieren an Wert und wir benötigen immer mehr davon, da sie eine geringere Bedeutung haben als etwas, das wir wirklich erarbeitet haben.

Langfristig besteht das Risiko, dass die heutige junge Bildschirm-Generation kaum darauf vorbereitet sein wird, sich für etwas anzustrengen, das ihnen wichtig ist. Wenn man lernt, sofort belohnt zu werden, erscheint es eventuell als zu schwierig oder nicht erstrebenswert, auf eine Belohnung warten zu müssen und für längere Zeit eine Anstrengung zu erbringen (“Belohnungsaufschub”) [3]. Es ist vorstellbar, dass sich dies auf Schulen, Universitäten oder Unternehmen auswirken kann, deren zukünftige Schüler, Studenten oder Arbeitnehmer die heutigen Kinder sind.
Pausenlose Unterhaltung
Soziale Medien und Unterhaltung durch unsere Bildschirmmedien liefern pausenlose Unterhaltung. Die Entfernung natürlicher Stopsignale ist erst einige Jahre alt. Seitdem können wir in Facebook, Instagram, YouTube oder Netflix pausenlos weiter schauen, die Seite ist nie zu Ende. Wir haben nie einen natürlichen Grund das Lesen oder Suchen zu beenden, wie beispielsweise bei der guten alten Papierzeitung, die einfach irgenwann ausgelesen ist [4]. Hinzu kommt die so genannte “Auto-Play” Funktion, die dazu führt, dass nach dem Abspielen eines Videos sofort das nächste Video startet. So verbringen wir, ohne es zu merken, Stunden bei YouTube oder Netflix und schieben dafür alle wichtigen Dinge vor uns her. Es ist wie im Casino, wo alle Zeichen der Zeit entfernt wurden. Die Besucher verlieren das Zeitgefühl und geben mehr Geld aus. Bei den sozialen Medien ist es das Gleiche: Wir verbringen mehr Zeit, sehen mehr Werbung, kaufen mehr ein. Durch unsere Bildschirmabhängigkeit sind wir fast willenlos ausgeliefert.

Zufällige Belohnung
Wir lernen in dieser Welt durch Versuch und Irrtum und durch Belohnung. Wenn wir mit etwas erfolgreich sind, tun wir es vermutlich wieder. Wenn wir versagen oder bestraft werden, vermeiden wir es meistens in der Zukunft.
Es gibt viele Situationen in unserem Leben, in denen wir für unsere erbrachte Leistung, belohnt werden, beispielsweise mit unserem Gehalt. Viel besser als eine erwartbare Belohnung, ist jedoch ein zufälliges Belohnungssystem, es funktioniert bei Mensch und Tier hervorragend [2]. Es ist viel spannender, wenn wir nicht wissen, wann und wie viel wir belohnt werden. Die sozialen Medien und Bildschirmspiele haben das perfektioniert. Es ist unmöglich vorherzusagen, wann und wie viel wir belohnt werden (Likes, Gewinne im Spiel), deswegen versuchen wir umso mehr, diese zu erhalten. Der Dopaminrausch, der sich dann im Gehirn einstellt, ist einfach so wunderbar, das wir fast alles dafür tun.
Ziele erreichen
Neue Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen, ist ein weiterer suchterzeugender Mechanismus. Er macht es uns sehr schwer zu stoppen, denn es ist so zufriedenstellend, diese Ziele zu erreichen. Das kann eine vierstellige Zahl an “Followern” sein, ein bestimmtes Level beim Spiel oder “Gefällt mir” Angaben. Wenn wir dieses Ziel jedoch dann erreicht haben, währt der Glücksmoment nur kurz. Wir müssen uns also ein neues, höheres Ziel suchen, was bedeutet, dass wir mehr Zeit am Bildschirm oder in den sozialen Medien verbringen müssen und unsere Bildschirmabhängigkeit weiter “füttern”.
Die Hauptgründe für unsere Bildschirmabhängigkeit aufzudecken, mag dem Einen oder Anderen sicher (hoffentlich) die Augen öffnen. Nehmt euch etwas Zeit, um eure Gewohnheiten mit Smartphone, Tablet und sozialen Medien zu beobachten. Die Ergebnisse sind vielleicht überraschend.
Hier gehts direkt zum zweiten Teil des Artikels:
Quellen:
- [1] Adam Alter (2018): Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit. Berlin Verlag (Taschenbuch & Kindle)
- [2] Video: We spend four hours a day on our phones. Professor Adam Alter on Smartphone addiction.
- [3] Video: The Marshmallow Experiment – Instant Gratification (4:42 min)
- [4] Video: Why our screen makes us less happy – Prof. Dr. Adam Alter
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