Wie die exzessive BILDSCHIRMNUTZUNG unser Leben verändert (Teil 2)

Bildschirmeräte begünstigen eine geringere Toleranz gegenüber Langeweile.

Die exzessive Bildschirmnutzung (Smartphones oder Tablets) hat zahlreiche Konsequenzen für unser Leben. Um diese Auswirkungen soll es in diesem zweiten Teil des Artikels gehen. Die vorgestellten Strategien können uns helfen, auch mit dieser Technologie, unsere persönliche Freiheit zu erhalten.


Im ersten Teil dieses Artikels habe ich mich auf die Mechanismen konzentriert, die dafür sorgen, dass wir unsere Finger nicht von unseren Smartphones und Tablets lassen können. Diese Technik ist so durchdacht und spielt damit, wie wir als Mensch funktionieren. Hier geht es zum ersten Teil des Artikels.


Hier kannst du beide Teile des Artikels zu Bildschirmnutzung und -abhängigkeit in einem Podcast hören:


Die Wissenschaft hat 4 Lebensbereiche identifiziert, die in großem Umfang von unserer exzessiven Bildschirmnutzung beeinflusst werden: Psychologisch, körperlich, sozial und finanziell [1]. Für jeden dieser Bereiche möchte ich kurz skizzieren, in welcher Art und Weise sie den Einflüssen unserer Bildschirmnutzung unterliegen. 

Es ist so einfach, den erstrebten Dopaminschub zu erhalten, wenn wir durch unser Mobiltelefon scrollen.

1. Psychologische Effekte der Bildschirmnutzung

Die dauerhafte Nutzung unserer Bildschirmgeräte verändert unsere Wahrnehmung der Realität und unser Verhältnis zu Belohnung. Es ist so einfach, mit dem gewünschten Dopaminschub belohnt zu werden und davon wollen wir mehr, immer mehr. Jedes Mal wenn wir eine Nachricht bekommen, eine Email oder eine Gefällt mir Angabe, bekommt unser Gehirn einen "Kick".

Kinder, Jugendliche & Dopamin

Besonders für Kinder und Jugendliche, die mit diesem einfach zu erzielenden Dopaminschub aufwachsen, werden sich Schwierigkeiten ergeben, langfristig auf ein Ziel hinzuarbeiten, konstante Leistung zu erbringen, mit Schwierigkeiten umzugehen und erst später mit Erfolg und Dopamin belohnt zu werden. Warum anstrengen, wenn man die Belohnung auch sofort erhalten kann? Auch Erwachsene sind nicht vor der Versuchung geschützt, die schnelle und einfache Belohnung zu suchen.

Wie Bildschirmgeräte unser Leben verändern.

Langeweile nicht erwünscht

Wir verlieren unsere Toleranz gegenüber Langeweile. Deswegen entscheiden wir uns dafür, selbst in der kürzesten Zeit ohne andere Beschäftigung, auf unser Telefon zu schauen, wie beispielsweise im Aufzug. Der Nachteil davon ist jedoch, dass diese "Leerzeiten" potentiell den größten Einfluss auf unsere Kreativität und Problemlösefähigkeiten haben. Wenn wir nicht beschäftigt sind, haben wir die besten Ideen, denn wir verlassen die üblichen Denkpfade. Wenn wir vermeiden, mit unseren Gedanken alleine zu sein, eliminieren wir diesen Teil unseres Potentials, das ein wenig Zeit und Freiraum braucht, um sich zu entfalten.

Flucht vor der Realität

Mit der Möglichkeit der neuen Technik, unserer Realität zu entkommen, ist die Versuchung groß, sich nicht mit den Rahmenbedingungen um uns herum und unserem eigenen Befinden auseinanderzusetzen. Es erscheint so viel einfacher, im Handy nach bunten Bildern zu suchen als über unsere Beziehungen, den Job, unangenehme Gefühle oder Langeweile nachzudenken. Es hat einen guten Grund, warum Adam Alter [1] unsere Bildschirmgeräte als "Erwachsenen-Schnuller" (adult-pacifier) bezeichnet. Wenn wir häufig die virtuelle Welt der realen vorziehen, generieren wir neue Probleme. Aus kleinen unangenehmen Dingen, werden mit der Zeit große Probleme, wenn wir uns weigern, uns mit ihnen auseinanderzusetzen.

2. Körperliche Effekte der Bildschirmnutzung

Die Konsequenzen übermäßiger Bildschirmnutzung für unsere körperliche Gesundheit können kaum überschätzt werden. Sie verändern unser Verhalten permanent und sind für eine Reihe medizinischer Probleme verantwortlich, die es früher so nicht gegeben hat.

Die körperlichen Auswirkungen massiver Bildschirmnutzung können kaum überschätzt werden.

Körperliche Inaktivität

Die Nutzung von Computer und Smartphone führt in allererster Linie zu körperlicher Inaktivität. Wir nutzen diese Geräte üblicherweise sitzend. Während körperliche Aktivität mit besserer körperlicher und geistiger Gesundheit und einem durchschnittlich geringeren Gewicht assozziiert ist, können wir davon weit weniger profitieren, wenn wir nicht aktiv sind. Wir bewegen uns weniger, essen nebenbei, während wir abgelenkt sind und sitzen oft stundenlang unbeweglich. Dies erhöht das Risiko für Übergewicht und damit verbundene körperliche Beschwerden wie Herz-Kreislauferkrankungen und auch das Auftreten psychischer Probleme.

Rücken- und Nackenschmerzen

Mehr Menschen als je zuvor leiden unter Rücken- und Nackenproblemen durch häufige Bildschirmnutzung. Wir beugen uns vor, anstatt gerade zu sitzen oder die Sitzposition zu wechseln, was eine immense Belastung für unsere Halswirbelsäule verursacht. Während unser Kopf nur etwa 5-6 kg wiegt, wenn wir aufrecht stehen oder sitzen, erhöht sich die Last für unseren Körper auf bis zu 30 kg, wenn wir unseren Kopf um 60 Grad nach vorn neigen, was typisch für die Bildschirmnutzung ist [2]. In der Folge verkrampfen die Muskeln, was zu Kopfschmerzen, Migräne und Haltungsveränderungen führt.

Die Belastung der häufigen Telefonnutzung für unsere Halswirbelsäule ist immens.

Kurzsichtigkeit und Bildschirmnutzung

Durch einen Zufall wurde vor einigen Jahren in Korea herausgefunden [3], dass 96,5% der Rekruten für die Armee unter ernsthafter Kurzsichtigkeit litten (Einschränkung des Sehens in der Ferne). Stundenlang jeden Tag auf einen Bildschirm zu starren führt dazu, dass sich unser Gehirn und unsere Augen an die Erfordernisse anpassen und darin besser werden, was wir ihnen abverlangen: In die Nähe zu schauen. In Kombination damit, dass wir und unsere Kinder heute generell weniger Zeit draußen verbringen, was das Fokussieren in der Ferne schulen würde, fehlen uns Situationen, in denen wir vom Fokus in der Nähe auf den Fokus in der Ferne umschalten müssen. Für Kinder, deren Augen und Gehirne sich noch entwickeln, ist das fatal, denn diese Kurzsichtigkeit limitiert nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Bereichen des Lebens.

Kurzsichtigkeit ist eine Folge häufiger Bildschirmnutzung.

Gestörter Schlaf-Wach-Rythmus

Die häufige Nutzung unserer Bildschirmgeräte bedeutet auch, dass wir weniger natürlichem Licht ausgesetzt sind, sondern häufig den künstlichen weißen und blauen Strahlen dieser Geräte. Unsere Sinnesorgane interpretieren auf Basis des Lichtes, welche Tageszeit ist und glauben, auch am Abend, dass heller Tag ist. Das stört unsere innere Uhr und unseren Schlaf-Wach-Rythmus, denn die entsprechenden Hormone für Tag und Nacht (Cortisol & Melatonin) werden nicht mehr zur richtigen Zeit in der notwendigen Menge produziert. Wir schlafen zwar vielleicht schnell ein, weil wir erschöpft sind, haben aber nicht genügend erholsamen Schlaf und fühlen uns am Morgen erschlagen (Hier könnt ihr mehr zum Thema Schlaf lesen.) [4]

Intensive Bildschirmnutzung stört unseren Schlaf-Wach-Rythmus.

Unfälle & Verletzungen

Vielleicht sehen wir Unfälle nicht direkt als eine Folge der Nutzung unserer Smartphones, aber sie sind es. Was ist mit all den Verkehrsunfällen, weil die Fahrer Nachrichten geschrieben oder gelesen haben, während sie Auto gefahren sind? Wenn wir permanent abgelenkt sind, vergessen wir schnell einmal aufmerksam zu sein, wenn es notwendig ist. Außerdem überschätzen wir unsere Reaktionsgeschwindigkeit immens. Die Zeit, die wir benötigen, um eine Nachricht zu lesen oder zu schreiben, kann im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden. Wir haben nicht alles unter Kontrolle, wie wir gern glauben.

Auch Schmerzen in Händen und Armen sind medizinische Konsequenzen der Nutzung von Smartphones. Einige Menschen schicken jeden Tag tausende Nachrichten und scrollen stundenlang durch die endlose Chronic von Facebook oder Instagram. Da ist es kein Wunder, dass dies zu Überlastungserscheinungen in Handgelenken, Daumen und Unterarmen führt. Als neue medizinische Begriffe für diese Beschwerden wurde der "Handydaumen" und "Whatsappitis" geprägt [5].

3. Soziale Konsequenzen der Bildschirmnutzung

Die vermehrte Zeit, die wir mit großen und kleinen Bildschirmen verbringen, beeinflusst definitiv unsere Beziehungen. Wir verbringen vielleicht Zeit im gleichen Raum oder am gleichen Tisch, aber oftmals jeder mit seinem eigenen Telefon. Die Zeit, die wir mit unseren Bildschirmen verbringen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, während die Zeit, die wir für Job, Schlaf oder Essen nutzen, gleich geblieben ist. Das heißt, dass wir weniger Zeit miteinander im direkten, persönlichen Austausch verbringen, mit Familie und Freunden [6,7]. Gespräche finden seltener statt, sie werden häufiger durch Mitteilungen und Nachrichten unterbrochen und wir können nur schwer der Versuchung widerstehen, zwischendrin "schnell mal" auf unser Telefon zu schauen.

Jugendsprache

Auch unsere Sprache wird sich verändern und hat sich bei der Jugend schon verändert. Nutzen wir doch diverse Smileys für alle Lebenslagen, wenn wir Whatsapp schreiben und eine stark verkürzte Sprache. Das färbt natürlich auch auf unsere verbale Kommunikation und die generellen F#higkeiten ab, Sachverhalte differenziert zu formulieren und zu verstehen.

Soziale Fähigkeiten zu lernen hängt von persönlicher Interaktionserfahrung ab.

Soziale Fertigkeiten entwickeln sich beim Üben

Ich frage mich manchmal, wie Kinder, die heute aufwachsen, soziale Fertigkeiten lernen sollen, wenn sie wenig Gelegenheit haben, diese zu üben. Dinge wie Freundschaften aufbauen, faires Diskutieren, Verhandeln, Empathie, Perspektivübernahme und Verantwortung, benötigen Übung. Soziale Medien wiegen Jugendliche in Sicherheit, wenn sie 1000 "Freunde" auf Facebook haben. Wenn sie aber wirkliche Unterstützung benötigen, bedeuten die virtuellen Freunde nichts. Echte Freundschaften müssen schrittweise aufgebaut werden, sie benötigen Vertrauen. Dafür gibt es keine schnelle Lösung, die sich mit "Gefällt mir" oder einer "Freundschaftsanfrage durch Klick" ersetzen lässt, wenn nicht vorher eine persönliche Verbindung aufgebaut wird. (Wenn du Videos in Englisch schauen kannst, empfehle ich dir diesen Videoclip von Simon Sinek [8]).

4. Finanzielle Konsequenzen der Bildschirmnutzung

Exzessive Bildschirmnutzung kann sogar finanzielle Konsequenzen haben. Je mehr Zeit wir am Bildschirm verbringen, desto mehr Werbung und Verführungen sind wir ausgesetzt. Das Shopping-Erlebnis kann zur Sucht werden. Auch viele Spiele sind zunächst kostenfrei, erfordern später aber Käufe, um weiterspielen zu können. Wenn Bildschirmgeräte zunehmend die Hauptquelle positiver Gefühle werden, wird die Schwelle für neue Einkäufe immer geringer. Das führt schnell dazu, das eigene Budget zu überlasten oder sogar Schulden zu machen.

Spiele, Shopping und viele andere Online-Verführungen können ernsthafte finanzielle Konsequenzen haben.

Nach all den Konsequenzen unserer Bildschirmnutzung für unser Leben, sollten wir uns auf mögliche Lösungen konzentrieren. Bildschirme sind ein wichtiger Teil unseres Lebens und sind nicht mehr wegzudenken. Das Ziel ist es also nicht, sie zu dämonisieren. Wir können aber viel glücklicher sein, wenn wir wieder selbst bestimmen, was wir mit unserem Leben machen, anstatt der Versuchung sozialer Medien oder verschiedener Spiele zu erliegen. Die folgenden Strategien sollen dazu ein paar Ideen liefern.

Strategien für mehr Freiheit bei der Bildschirmnutzung

Unsere Nutzung von Bildschirmen und sozialen Medien zu verändern ist nicht so schwer, wie es klingt. Wir müssen keineswegs von heute auf morgen diese Geräte und Medien aus unserem Leben verbannen, das ist utopisch und zum Scheitern verurteilt. Aber vielleicht können die folgenden drei Tipps eine Anregung für dich sein, kleine Veränderungen in deinem Leben vorzunehmen. Sei ein bisschen geduldig, die süchtigmachenden Mechanismen dieser Technik sind perfide!

Stopsignale einzubauen, gibt uns die Gelegenheit, bewusst zu entscheiden.

Strategie 1: Baue "Stopp-Signale" ein

Stundenlang Videos, Filme oder soziale Medien zu nutzen, wird uns leicht gemacht. Da es kein natürliches "Stop-Signal" mehr gibt, können wir uns selbst solche erstellen. Sie geben uns die Möglichkeit, bewusst zu entscheiden, ob wir weitermachen möchten, oder lieber etwas anderes tun. Eine einfache Variante ist es, sich einen Wecker zu stellen, beispielsweise für eine Stunde (oder jeden anderen gewünschten Zeitraum). Dieser Wecker sollte so stehen, dass wir aufstehen müssen, um den Alarm auszuschalten. So haben wir die Möglichkeit, in der gewonnenen Pause bewusst zu entscheiden, ob Netflix oder YouTube jetzt etwas Anderem weichen sollten. Diese Unterbrechung des Medienkonsums gibt uns überhaupt erst die Gelegenheit, unseren präfrontalen Kortex wieder einzuschalten und eine vernünftige Entscheidung zu treffen.

Strategie 2: Vermeide Ablenkung

Wenn wir arbeiden müssen, bieten uns Emails, Facebook und Co. immer wieder Ablenkungsmöglichkeiten. Das heißt aber auch, dass wir mit der Aufgabe nicht vorankommen, die gerade wichtig ist. Wenn wir das Emailprogramm und Facebook schließen und Bildschirmbenachrichtigungen ausschalten, haben wir schon einige Versuchungen aus dem Weg geräumt. Aus den Augen, aus dem Sinn, funktioniert hier ganz wunderbar. Ganz besonders hilfreich finde ich auch das Programm Freedom, das für einen bestimmten Zeitraum vorher festlegbare Webseiten blockiert und mir schon bei dem einen odere anderen Seminar oder Vortrag geholfen hat, beim Thema zu bleiben.

Strategie 3: Verhaltensarchitektur

Unser Verhalten basiert zu einem großen Teil auf unserer Umwelt. Wir haben die Möglichkeit, pausenlos online zu sein, also sind wir es. Wir können diese Verhaltensarchitektur aber auch zu unserem Vorteil nutzen. Das grundlegende Prinzip ist: Mache erwünschtes Verhalten einfach (unsere Smartphones eben nicht zu nutzen) und unerwünschtes Verhalten schwer (pausenlos durch Facebook zu scrollen). Ein Beispiel: Wenn unser Smartphone im Nachbarzimmer und eben nicht in unserer Hosentasche ist, machen wir es uns schwerer, ständig auf den Bildschirm zu schauen, weil wir dazu erst aufstehen müssten.

Der Flugmodus ist eine weit unterschätze Möglichkeit, Ablenkung zu reduzieren.

Kleine neue Gewohnheiten können super effektiv sein und die pausenlose Versuchung unserer Bildschirmgeräte reduzieren. Was mir da einfällt ist beispielsweise ein technikfreies Abendbrot. Mit dem Partner und den Kindern zu sprechen ist ein wunderbarer Ersatz. Nachts das Telefon in einem anderen Raum zu laden und es damit vom Bett zu entfernen, ist super wichtig für einen guten Schlaf. Schon etwas fortgeschritten ist es, das Telefon 30-90 Minuten vor dem Zubettgehen in den Flugmodus zu schalten und erst nach(!) dem Frühstück wieder anzuschalten (ja, das funktioniert und die Welt dreht sich tatsächlich weiter!). Gerade am Abend sind das Lesen eines Buches (so ganz altmodisch aus Papier), ein Hörbuch oder soziale Interaktion mindestens gleichwertige Alternativen, um nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen.

Ich würde mir wünschen, dass wir alle ein bisschen bewusster registrieren, wie die neue Technologie unser Leben, unsere Beziehungen und unsere Gesundheit beeinflusst. Wenn wir bewusst in der Lage sind, uns für oder gegen bestimmte Konsequenzen zu entscheiden und unser Verhalten daraufhin zu verändern, gewinnen wir viel von unserer Freiheit zurück!


Hier gibt es den ersten Teil des Artikels: Bildschirmabhängigkeit: Warum werden wir süchtig nach Smartphones? (Teil 1)


Hier gibt es verwandte Artikel auf meiner Seite:


Software, zur Blockierung ausgewählter Webseiten für ein konzentriertes Arbeiten: Freedom (kostenfreier Testzeitraum verfügbar)


Quellen und Empfehlungen zum Lesen & Anschauen:

2 Gedanken zu „Wie die exzessive BILDSCHIRMNUTZUNG unser Leben verändert (Teil 2)

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