Über einen aktuellen Bericht in der “WELT” wurde ich auf offizielle Ernährungsempfehlung im Hinblick auf unseren Zuckerkonsum aufmerksam. Diese Empfehlung versetzte mich – sagen wir mal – in Erstaunen. Was es damit auf sich hat und ob diese Empfehlung tatsächlich unsere beste Gesundheit im Blick hat, darum soll es heute gehen.
Wie sieht die Ernährungsempfehlung aus?
Im Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), gemeinsam mit der Deutschen Adipositasgesellschaft (DAG) und der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) vom Dezember 2018 – das Papier ist also nicht mehr ganz neu – werden “Quantitative Empfehlungen zur Zuckerzufuhr in Deutschland” ausgesprochen [1]. Zu Beginn des Dokuments wird ausführlich beschrieben, dass Zuckerkonsum im Zusammenhang mit Übergewicht und zahlreichen weiteren ernsthaften Erkrankungen steht [1, S. 5]. Da der Zuckerkonsum in Deutschland für das Empfinden der beteiligten Gesellschaften zu hoch liegt, wurde beschlossen, eine Ernährungsempfehlung auszusprechen. Laut Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II, 2005-2007), nehmen in Deutschland Frauen durchschnittlich 13,9 % und Männer 13% der Energiezufuhr über “freie Zucker” auf. Dabei sinkt der Anteil mit zunehmendem Alter [1, 2].

Die Zuckerzufuhr solle – so die Ernährungsempfehlung – nicht mehr als 10% der Gesamtkalorien betragen. Diese Ernährungsempfehlung umfasst Mono- und Disaccharide wie Haushaltzucker, Honig, Fruchtkonzentrate und Sirup, die Lebensmitteln durch Hersteller zugesetzt werden [1, S. 7]. Bei einer Zufuhr von 2.000 kcal pro Tag würde das bedeuten, dass die Obergrenze für einen gesunden Zuckerkonsum bei 200 kcal täglich, also 50 Gramm liegt. Dabei bezieht sich diese Empfehlung wohlgemerkt nur auf zugesetzten Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln!
Hier gibt es mehr zum Thema “versteckter Zucker”: Darum ist „versteckter Zucker“ ein Problem
Was erwarte ich von einer Ernährungsempfehlung?
Wenn eine Insitution Empfehlungen für eine gesunde Ernährung oder andere Verhaltensweisen, die unsere Gesundheit fördern und unterstützen sollen ausspricht, erwarte ich – vielleicht ist das auch zu optimistisch – dass es sich dabei um Empfehlungen handeln, die ein optimales Verhalten beschreiben. Wenn ich mich an diese Regelung halte, müsste ich also eine optimale Gesundheit erzielen können, wenn ich auch in anderen Lebensbereichen gesundes Verhalten an den Tag lege. Auch, wenn viele Menschen möglicherweise das gesteckte Ziel nicht erreichen können, möchte ich als gesundheitsbewusster Mensch wissen, was denn tatsächlich das beste Verhalten für mich wäre. Lässt sich diese Empfehlung daran messen oder ist sie eher ein “fauler” Kompromiss?



Wie viel sind 50 g Zucker?
Wie viel sind eigentlich 50 Gramm zugesetzter Zucker, das heißt wie viel Zucker könnte ich über Getränke, Süßigkeiten oder in meinem Kaffee aufnehmen, um unter der Höchstgrenze zu bleiben?
- 12,5 TL Zucker (4g je TL)
- 16 Stück Zucker (3g je Stück)
- 100g weiße Schokolade (etwa 46g Zucker)
- 0,45l “braune Limonade” (etwa 49g Zucker)
- 100g Vollmilchschokolade (etwa 46g Zucker)
- 200g Ketchup (etwa 46g Zucker)
- 100g Zartbitterschokolade (auch etwa 46g Zucker)
- 700g dunke Schokolade mit 90% Kakaoanteil (49g Zucker, 7g je 100g)
- 2,7kg Kartoffelchips (1,8g je 100g, wohlgemerkt ZUCKER, nicht Kohlenhydrate) 😉
- 100g Gummibärchen (etwa 43g Zucker)
- 11 Bonbons – von denen man immer 2 nehmen muss, weil sie so viele Vitamine haben 😀 (4,5 g je Stück)



Nach dieser Empfehlung ist es also absolut gesund, wenn ich jeden Tag eines der genannten Lebensmittel in der beschriebenen Menge zu mir nehmen würde, denn damit würde ich tatsächlich unter einer Aufnahme von 50g zugesetztem Zucker bleiben. Täglich 100 g Schokolade oder wahlweise 12,5 TL Zucker aufgeteilt auf meine Getränke, das soll optimal für meine Gesundheit sein?
Zucker in unserer Ernährung
Da es auf meiner Seite einige Artikel zum Thema Zucker bereits gibt, in denen ich die Wirkung und Konsequenzen des Zuckerkonsums beschreibe sowie Alternativen nenne (Verlinkungen am Ende des Beitrags), möchte ich das Thema hier nur kurz anschneiden.
Alle Kohlenhydrate und Zucker – außer Fruchtzucker – werden im Körper zu Glukose abgebaut und mit Hilfe von Insulin zu den Zellen gebracht. Das heißt, am Ende landet der Zucker aus Weißbrot, Vollkornbrot, Reis, Nudeln, Limonade, Fruchtjoghurts, Säften, Bonbons, Schokolade und alkoholischen Getränken gemeinsam als Zucker in unserem Blut. Unser Körper muss ausreichend Insulin produzieren, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Sorgt ein zu hoher Blutzuckerspiegel doch unter anderem für Nervenschäden. Ein hoher Insulinspiegel geht jedoch ebenfalls mit vermehrten chronischen Entzündungen einher. Diese können zahlreiche schwerwiegende Erkrankungen beschleunigen (Krebs, hoher Blutdruck, Herzerkrankungen, Übergewicht, Schlaganfall, PCOS*, Depressionen, Alzheimers, hohe Blutfette und Angststörungen) [3].
*PCOS ist die Abkürzung für Poly-Zystisches-Ovariensyndrom.
Fruchtzucker selbst ist keineswegs besser, wird er doch über die Leber abgebaut und steht im Zusammenhang mit einer nichtalkoholischen Fettleber und fördert auf diesem Weg Diabetes Typ II [5]. Fruchtzucker ist schon lange nicht mehr ausschließlich das Terrain von Früchten, sondern wird im großen Stil zahlreichen verarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt.



Zugesetzter Zucker in unserer Nahrung – nur um den geht es in den Ernährungsempfehlungen – kommt zu den aufgenommenen Kohlenhydraten (z. B. aus Brot, Reis, Nudeln, Kartoffeln etc.) und Zucker in Früchten noch hinzu. Das heißt die gesamte Zuckeraufnahme kann, je nach Ernährungsform um ein Vielfaches höher liegen, wenn all die verschiedenen Quellen von Zucker und Kohlenhydraten addiert werden.
Ernährungsempfehlungen für optimale Gesundheit?
Selbst in den USA, die im Zuckerverbrauch deutlich höher liegt als Deutschland, sind die ausgesprochenen Empfehlungen niedriger als die im oben zitierten Konsenspapier. Die American Heart Association setzt die Empfehlung für Männer für die Aufnahme von Zucker auf maximal 150 kcal, also 37,5 Gramm, für Frauen auf 25 Gramm, was immernoch 9 bzw. 6 TL Zucker sind [4].



Da unsere Gesundheit massiv davon profitiert, wenn wir unseren Zuckerkonsum deutlich senken [3, 5], finde ich die “lockere Sichtweise” des Positionspapiers schlicht und ergreifend irreführend. Welche Interessenskonflikte bei dieser Entscheidung im Hintergrund stehen, ist uns als Verbraucher natürlich nicht klar. Aber die “Zuckerlobby” schießt, wie es im Welt-Artikel [6] deutlich wird, scharf gegen die “Denunzierung” von Zucker. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Meines Erachtens wird es aus den aktuellen Empfehlungen keineswegs klar, dass es keineswegs optimal für unsere Gesundheit ist, einfach nur unter der angegeben Grenze zu bleiben und bspw. 49 g zugesetzten Zucker zu verzehren. Auch, wenn wir unseren Zuckerkonsum normalerweise nicht kontrollieren, sollten Empfehlungen meines Erachtens eher 25 g zugesetzten Zucker als Obergrenze angeben oder noch niedriger liegen [7]. Durch ein paar einfache Veränderungen im Alltag kann das recht einfach gelingen. Im HIER verlinkten Artikel findest du einige hilfreiche Tipps, die leicht umzusetzen sind! Viel Erfolg!
Zum Weiterlesen auf meiner Seite:
- Darum ist „versteckter Zucker“ ein Problem
- Zuckeralternativen: Wie kann ich mit gutem Gewissen süßen?
- 10 Zeichen dafür, dass du zuckersüchtig bist
- 5 Fakten über ZUCKER, die du kennen solltest.
- Süßstoff oder Zucker?
- Kohlenhydrate – Dickmacher oder Energielieferant?
Ressourcen & Infos zum Weiterlesen:
[1] Positionspapier: https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/stellungnahme/Konsensuspapier_Zucker_DAG_DDG_DGE_2018.pdf
[2] https://www.mri.bund.de/de/institute/ernaehrungsverhalten/forschungsprojekte/nvsii/
[3] Ben Bikman (2021): Warum wir krank werden: Insulinresistenz als wahre Ursache für chronische Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer oder Krebs – und wie wir sie bekämpfen können.
[4] https://www.medicalnewstoday.com/articles/324673
[5] Jason Fung (2016): Obesity Code: Unlocking the Secrets of Weight Loss.
[6] Die Welt 3.5.2021: https://www.welt.de/wirtschaft/article230812203/Zuckerlobby-wehrt-sich-gegen-Lebensmittelpopulismus-Sozial-und-gruen.html?source=k301_variationTest_autocurated
[7] https://www.cnet.com/health/nutrition/sugar-is-terrible-for-you-how-to-eat-less-of-it/
Ein Gedanke zu „Offizielle Ernährungsempfehlung für ZUCKER. Ist das gesund?“