Darf man NEIDISCH sein?

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Neidisch zu sein gibt man ungern offen zu. Es erscheint als minderwertige Emotion in unserer Gesellschaft und eine der 7 Todsünden. Was aber, wenn wir einen Blick hinter dieses Gefühl werfen, ohne zu urteilen? Kann “neidisch sein” dann vielleicht sogar positiv sein?

Neid – was ist das?

Neid wird definiert als ein Gefühl, dass man einer anderen Person etwas, nicht gönnt, das man selbst gern hätte, z.B. Erfolg oder Besitz.

Im Alltag mag das der Job des Nachbarn sein, die Freundin des Kollegen oder der Traumurlaub des Freundes, die uns neidisch machen, obwohl wir das natürlich nicht zugeben würden.

Jm TD auf Pixabay

Und das hat evolutionsbiologisch durchaus einen Sinn, hat es doch dafür gesorgt, dass wir versuchen, besser zu sein als andere, ein wichtiger Antrieb für Entwicklung.

Soziale Medien machen neidisch

Die Welt der sozialen Medien macht es uns heute in mindestens zweierlei Hinsicht super einfach, neidisch zu sein. Einerseits haben wir viel mehr Möglichkeiten, unser Leben und das was wir erreicht haben, mit anderen Menschen zu vergleichen. Dazu bedarf es nur der Suche nach einem oder mehreren Schlüsselworten. Andererseits bedingt die Struktur der sozialen Medien, dass praktisch jeder genau die Dinge postet und öffentlich teilt, auf die man stolz ist, die gesellschaftlich anerkannt, besonders sind und damit schlicht und ergreifend neidisch machen.

USA-Reiseblogger auf Pixabay

Selektive Bilder machen neidisch

Was wir dabei oft vergessen ist, dass genau diese Dinge selektiv gepostet oder veröffentlicht werden, die ein perfektes Leben, eine perfekte Figur (hallo Photoshop oder Facetune-Apps) und dauerhaftes Glück vorgaukeln. Dieser Ausschnitt aus Millisekunden aus dem Leben anderer verleitet uns zu der Annahme, dass im Leben der anderen alles, immer perfekt ist und in unserem Leben alles, immer langweilig und unperfekt.

Ryan McGuire auf Pixabay

Zunächst einmal: Würden Bilder nicht perfekt erscheinen, hätte der oder die Influencer:in sie nicht gepostet. Oft wird mit aller Technik gearbeitet, um Licht, Figur, Gesicht und Farben absolut perfekt erscheinen zu lassen. Nicht selten werden auch schonungslos Beinlänge, Taille, Hautbild, Nasenbreite und Augengröße verändert, bis nicht einmal die Person selbst so aussieht, wie die Person auf dem Bild. Dazu sind schon manchmal 50 Fotos notwendig. Das heißt 49 sind nicht perfekt genug, und werden NICHT gepostet. Nur mal so zum Nachdenken…

Remains Healthy auf Pixabay

Mit mikroskopischem Blick

Wir schauen also mit einem mikroskopischen Blick auf das Leben der Menschen, die wir beneiden und vergessen, dass das Leben von niemandem perfekt ist. Auch sie wachen morgens mit verstrubbelten Haaren auf, haben schlechte Laune, fühlen sich mal aufgebläht, streiten sich mit Freund oder Freundin und leben keineswegs dauerhaft im Urlaub auf Bali. Vielmehr sind es gerade oftmals die Menschen, die ihr Leben nicht so besonders toll finden und mit sich selbst ganz besonders überkritisch sind, die eine große Medienpräsenz haben. Sonst müssten sie nicht nach so viel “Beifall” und Bestätigung von außen suchen.

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Jedes “Like” wird als Bestätigung gebraucht, dass sie so gut sind, wie sie sind. Und doch kann kein Like dieses emotionale Loch stopfen, sich grundsätzlich nicht gut genug, nicht schön genug, nicht erfolgreich genug zu fühlen. Das mag nicht für jeden gelten, aber für sehr viele.

Wie kann ich mit Neid umgehen?

Dazu fallen mir mindestens zwei Ansätze ein, ohne dafür psychologische- und Forschungsliteratur zu wälzen. So bleibt es auch übersichtlich :-).

Achtsamkeit gegen Neid

Wenn wir kurz innehalten und uns genehmigen zu beachten, was wir gerade fühlen, können wir diesem Gefühl einen Namen geben: ich bin gerade neidisch. Dieses Gefühl hat genauso ein Anrecht darauf da zu sein, wie Glücklichsein oder Traurigsein.

4653867 auf Pixabay

Aber Achtsamkeit endet nicht an diesem Punkt. Es ist super hilfreich zu schauen, was habe ich denn tatsächlich in meinem Leben. Sich nicht in diesen Strudel des Neids hineinziehen zu lassen, sondern anerkennen, was in meinem Leben wirklich gut ist und dafür dankbar zu sein.

Vielleicht hast du wunderbare Locken, oder beneidenswerte braune Augen, eine super schnuckelige kleine Wohnung, eine hinreißende Fähigkeit für Wortwitz, eine schnelle Auffassungsgabe, bis super fürsorglich oder wahnsinnig kreativ. Du kannst dir sicher sein, dass Millionen Menschen auf der Welt dich für deine Gaben und auch die als selbstverständlich angesehenen “Besitztümer” (Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch, fließendes Wasser und Strom) beneiden würden!

Neid als Antrieb

Neidisch zu sein heißt aber auch, dass jemand anderes etwas hat, das ich gern hätte. Das ist doch eine tolle Erkenntnis? Was ist das, was müsste ich tun, um auch dieses Ergebnis zu haben? Bin ich bereit, diese Arbeit zu investieren? Spornt mich das an?

Krzysztof Kamil auf Pixabay

Ganz oft sind wir neidisch auf Ergebnisse jahrelanger harter Arbeit, die nach außen erscheinen als hätte derjenige nichts dafür getan. Viele berühmten Sänger haben früher in Werbejingles gesungen oder andere Arbeiten gemacht, bis sie anscheinend “über Nacht” berühmt geworden sind. Bekannte Baletttänzerinnen haben sich jahrelang in stundenlangen Trainingseinheiten gequält, meistens viele Tränen vergossen, viele Blasenpflaster verbraucht und unendliche Mengen an Muskelkater über sich ergehen lassen, bevor sie eine Hauptrolle ergattern konnten. Der Experte auf seinem Fachgebiet oder der Entertainer hat viele Jahre das Fachwissen angelesen oder auf der Bühne gestanden, um immer besser zu werden. Nur uns erscheint es von außen als hätte derjenige oder diejenige alles einfach “geschenkt” bekommen.

Anlass für Veränderung?

Vielleicht kann Neid den Blick auch darauf richten, im eigenen Leben etwas anders zu machen, mehr in die eigene Beziehung zu investieren, auf das Äußere zu achten, Freundschaften zu pflegen oder das eigene Fachwissen, Kommunikationsfähigkeiten oder unseren Wortschatz aufzupolieren.

Mohamed Chermiti auf Pixabay

Wenn wir diesen Neid als Antrieb für eine Veränderung nutzen, um aus unserem Trott herauszukommen, dann ist es eine wunderbare Erkenntnis, wenn wir uns dabei ertappen, neidisch zu sein und uns das auch eingestehen! Aber auch, wenn wir bemerken, dass wir keineswegs bereit sind, etwas zu anders zu machen, dann ist das eine bewusste Entscheidung!

PS: Für alle, die sich fragen, ob die Eichhörnchenstrategie schon beendet ist, nein sie wird weiter gehen. Aber ich wollte in dieser Woche mal etwas ganz anderes schreiben. Manchmal ist das so. 🙂


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